Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten vor zwei Monaten den Entwurf für einen Rahmenbeschluss zugesandt, mit dem Mindestnormen für die Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren festgeschrieben werden sollen. Während das Papier in Deutschland noch gar nicht wahrgenommen wurde, hat der österreichische Nationalrat die Vorschläge bereits intensiv beraten und abgelehnt.
Der EU-Entwurf stößt auf eine große Koalition der Ablehnung von links bis rechts: SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ haben dem Papier im EU-Unterausschuss des Nationalrats einmütig ihre Zustimmung verweigert. Nur die Grünen sind dafür.
Der schwammig formulierte Rahmenbeschluss sieht vor, dass noch mehr als bisher gedolmetscht und übersetzt wird. Außerdem soll Angeklagten auch für Gespräche mit ihrem Anwalt auf Staatskosten ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden.
Derzeit übersetzen die Gerichtsdolmetscher in Österreich nur zusammenfassende Informationen der Richter an die Angeklagten sowie Gespräche zwischen Angeklagten und Pflichtverteidigern. Wer einen eigenen Anwalt bezahlen kann, muss auch die Kosten für den Dolmetscher selbst tragen.
Darüber hinaus verlangt der Entwurf der EU-Kommission die schriftliche Übertragung aller wichtigen Unterlagen in die Fremdsprache. Derzeit werden Angeklagte nur mündlich über den Inhalt von Anklageschrift und Urteil informiert. Eine schriftliche Ausfertigung in der Fremdsprache erfolgt nicht.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner von der ÖVP (Bild) befürchtet, dass sich bei Umsetzung der EU-Vorschläge die Dolmetschkosten der österreichischen Justiz von derzeit 4,5 Millionen Euro pro Jahr auf 9 Millionen Euro verdoppeln. Außerdem wird in Österreich die Notwendigkeit der von der schwedischen EU-Präsidentschaft vorangetriebenen Regelung bezweifelt. Die Mitgliedstaaten seien hinsichtlich der Sprachmittlung bei Gericht ohnehin schon verpflichtet, sich an entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu halten.
Siehe auch: EU entwirft Rahmenbeschluss für Anspruch auf Dolmetscher in Strafverfahren
[Text: Richard Schneider. Quelle: Standard, 2009-09-17, 2009-09-18. Bild: Bundesministerium für Justiz.]