EU-Übersetzer wollen mehr Geld. BILD fordert: „Stoppt die Gier!“

Justus-Lipsius-GebäudeMit einem Kompromiss endete ein seit Wochen erbittert geführter Streit über die jährliche Gehaltserhöhung der EU-Beamten, zu denen auch Tausende von Dolmetschern und Übersetzern gehören. Statt der ursprünglich geforderten 3,7 Prozent müssen sich die Staatsdiener nun mit 1,85 Prozent mehr Geld begnügen.

Im Rahmen der Auseinandersetzungen war es am 17. Dezember 2009 zu einem Streik gekommen. Ein Großteil der 3.200 Beschäftigten des Brüsseler EU-Ministerrats erschien nicht zur Arbeit. Der Tagesspiegel schreibt: „Die Flure im Justus-Lipsius-Gebäude [Bild] wirkten wie ausgestorben. Sekretärinnen, Übersetzerinnen und viele andere, die den europäischen Betrieb sonst am Laufen halten, blieben einfach weg.“

Die Gewerkschaft Fédération de la Fonction Publique Européenne (FFPE) forderte für die 42.000 Beschäftigten der EU-Behörden 3,7 Prozent mehr Gehalt – rückwirkend zum 1. Juli 2009. Denn die realen Gehälter seien seit 2004 um 3,9 Prozent gefallen.

2004 war festgelegt worden, dass sich die Gehälter an der durchschnittlichen Beamtenbesoldung in acht westeuropäischen Staaten und an den Lebenshaltungskosten in Brüssel zu orientieren haben. Steigen diese Vergleichswerte, steigen automatisch auch die Bezüge der EU-Beamten. So war es jedenfalls in den vergangenen Jahren.

Angesichts der Weltwirtschaftskrise und leerer Staatskassen wollte diesmal jedoch ein gutes Dutzend der europäischen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, die jährliche Gehaltserhöhung nicht mehr widerspruchslos durchwinken.

Dabei konnten sich die Mitgliedstaaten der Unterstützung durch die Öffentlichkeit sicher sein. Die BILD-Zeitung titelte: „Stoppt die Gier-Beamten der EU! Sie kassieren bis zu 22.000 Euro im Monat. Viele zahlen nur 48 Euro Steuern im Monat. Sie wollen noch mehr Geld.“ Und weiter:

Jetzt kommt raus: Die Eurokraten kassieren doppelt so viel wie deutsche Beamte und zahlen deutlich weniger Steuern. […] Schon das niedrigste EU-Grundgehalt eines technischen Assistenten (verheiratet, zwei Kinder) liegt bei 3714 Euro. Dazu kommen 594 Euro/Monat Auslandszuschlag. Gesamt: 4308 Euro. Darauf zahlt der EU-Beamte nur 48 Euro Steuern in die EU-Kasse und 353 Euro Sozialbeiträge. Netto: 3907 Euro!

Die Nettomonatsbezüge reichen, aufgeteilt in 16 Besoldungsgruppen, von 3.907 Euro bis 15.574 Euro. (Zum Vergleich: Ein deutscher Bundeskanzler erhält rund 20.000 Euro pro Monat.)

Die Dolmetscher und Übersetzer der EU-Institutionen liegen im Mittelfeld dieser Besoldungsspanne. Der Nachrichtenkanal N24 berichtet: „Wer als Nachwuchs-Dolmetscher in den Dienst der Kommission tritt, bekommt nach bisherigen Zahlen ein Grundgehalt von 4190 Euro. In den meisten Fällen kommt eine Auslandszulage von 16 Prozent hinzu, mit der das Gehalt auf 4860 Euro steigt.“

Ian AndersenIan Andersen (Bild), Chef der 650 Dolmetscher der EU-Kommission, erklärte bereits 2003 in einem Zeitungsinterview, dass ein Dolmetscher nach zehn Dienstjahren ungefähr das Doppelte des Einstiegsgehalts von rund 4.000 Euro verdiene, also damals rund 8.000 Euro. Spitzenleute erhielten bis zu 12.000 Euro monatlich.

Zu dieser Grundbesoldung kommen noch diverse Zulagen (Ausland, Kinder, Gesundheit) hinzu. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die sichere und nicht knapp bemessene Altersversorgung, zu der die verbeamteten Übersetzer und Dolmetscher in den Jahren ihrer Berufstätigkeit keinen Cent beitragen müssen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Tagesspiegel, 2009-12-18; N24, 2009-12-18; Bild, 2010-01-06; Märkische Allgemeine, 2003-10-14. Bild: EU.]

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