Dolmetscher im späten Mittelalter hatten es nicht leicht. Bei Übersetzungsfehlern drohten zuweilen drakonische Strafen. So wurde dem Tolk (Dolmetscher) Hans Durkop im Jahre 1404 in Reval wegen eines fehlerhaft vom Niederdeutschen ins Russische übertragenen Briefes angedroht, man werde ihm die Zunge herausschneiden.
In der Blütezeit der Hanse waren Dolmetscher für die Fernkaufleute im gesamten Ostseeraum unentbehrlich. Gerhard Fouquet schreibt in seinem Aufsatz Kaufleute auf Reisen. Sprachliche Verständigung im Europa des 14. und 15. Jahrhunderts:
Diese [ ] Dolmetscher verstanden sich, von den üblichen Ausnahmen abgesehen, auf ihr Gewerbe und auf die von ihnen zu vermittelnden Sprachkontakte. In den livländischen Städten gab es zahlreiche vornehmlich deutsche, aber auch einheimische Dolmetscher, die klaglos ihre Sprach- und Vermittlungsdienste zwischen hansisch-niederdeutschen und russischen Fernhändlern, zwischen Esten und anderen Nationalitäten verrichteten. Russische Kompagnien bedienten sich sogar eigener Dolmetscher. [ ]
Die meisten Fernhändler bewegten sich wie zu Hause, so auch in der Fremde in sozialen Räumen, die ihren Zungen und Lebensformen weitgehend entsprachen. In den großen Kaufmannshöfen, den Faktoreien und den Häusern der Wirte und Makler sprachen die deutschen Hansen Niederdeutsch, die Lucchesen, Florentiner, Mailänder oder Venezianer ihr volgare und die Russen in Reval russisch. Vielsprachige Makler und Dolmetscher stellten die gewünschten Geschäftsverbindungen her.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Gerhard Fouquet: Kaufleute auf Reisen. Sprachliche Verständigung im Europa des 14. und 15. Jahrhunderts. In: Schwinges, Hesse, Moraw (2006): Europa im späten Mittelalter. Politik Gesellschaft Kultur. München: Oldenbourg. (Historische Zeitschrift, Beiheft 40.) Seite 478 ff.]