Vierundsechzig Luftrechnungen über frei erfundene Dolmetschleistungen mit Beträgen zwischen 3.500 und 17.000 Euro stehen derzeit im Mittelpunkt eines Prozesses vor dem Heilbronner Landgericht (Baden-Württemberg). Angeklagt ist ein 51-jähriger Mann, der innerhalb von sieben Jahren seinen Arbeitgeber, einen milliardenschweren Konzern, auf diese Weise um rund 770.000 Euro betrogen haben soll. Die Stuttgarter Zeitung berichtet:
Die Methode, die all die Jahre nicht auffiel, war immer die gleiche gewesen: Der Mann schrieb im Namen seiner Ehefrau Rechnungen für Dolmetscherdienste an die Firma Dürr in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg), wo er als Controller arbeitete. Das Übersetzungsbüro gab es gar nicht, die Kontonummer freilich schon: Dreisterweise ließ er sich das Geld auf sein Gehaltskonto überweisen.
Die Masche flog erst auf, als er Anfang 2010 die Buchhaltung darum bat, eine Rechnung vorzeitig zu begleichen – denn er hatte sein Konto überzogen und benötigte einen schnellen Ausgleich. Ein aufmerksamer Buchhalter stellte dabei fest, dass das Unternehmen gar keinen Auftrag für die abzurechnenden Sprachdienstleistungen erteilt hatte. Daraufhin wurden auch die früheren Rechnungen überprüft.
Vor Gericht gab der geständige Controller an, dass er mit dem Geld lediglich seiner Familie „ein schönes Leben“ habe bereiten wollen. Mit seiner Frau, laut Stuttgarter Zeitung „eine brasilianische Sambatänzerin“, und den gemeinsamen Kindern im Grundschulalter bewohnte der Mann ein unauffälliges Einfamilienhaus.
Mit den ergaunerten Beträgen ging der Schwabe offenbar sparsam um. Für ein Luxusleben des Mannes habe er keinerlei Spur entdecken können, erklärte ein als Zeuge geladener Kriminalhauptkommissar: „Wir standen in seinem Haus und fragten uns, wofür er das ganze Geld eigentlich ausgegeben hatte – von Prunk keine Spur.“
Der Staatsanwalt fordert ein Strafmaß von vier Jahren, die Verteidigerin hält dreieinhalb Jahre für angemessen. Das Urteil soll noch im Lauf dieser Woche verkündet werden.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Stuttgarter Zeitung, 2010-06-19. Bild: Richard Schneider.]