Groß- und Kleinschreibung im Deutschen

Großschreibung bedeutet in der Schriftsprache das Setzen von Großbuchstaben (Majuskeln). Dies bezieht sich somit auf die geschriebene Sprache, die sich im Gegensatz zur gesprochenen Sprache oft durch besondere Merkmale wie eine komplexere Syntax auszeichnet und für die es ein Schriftsystem gibt. Jedoch muss diese Schriftsprache sowohl die Klein- als auch die Großschreibung kennen. Die deutsche und luxemburgische Sprache sind die einzigen Sprachen, in denen Substantive, Eigennamen und nominal gebrauchte Wortarten großgeschrieben werden.

In vielen europäischen Schriftsprachen werden Eigennamen sowie religiöse Bezeichnungen großgeschrieben, auch bei Höflichkeitsformen kommt oftmals die Großschreibung zur Anwendung. Ferner gibt es die konsequente Kleinschreibung, bei der jede Großschreibung vermieden wird, und in einigen Sprachen die gemäßigte Klein- bzw. Großschreibung, in der bei bestimmten Fällen großgeschriebene Wörter, beispielsweise am Satzanfang oder bei Eigennamen, zugelassen sind.

Im Deutschen schrieb man ab dem 14. Jh. den ersten oder die ersten Buchstaben groß, um die Wörter zu betonen. Insbesondere im religiösen Bereich war dies üblich (z.B. „GOtt“). Doch die eigentliche Großschreibung aller Substantive und substantivierten Formen wurde im 17. Jahrhundert, im Zeitalter des Barock, eingeführt. Der deutsche Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer Walter Benjamin sagte: „Das Barock hat in die deutsche Rechtschreibung die Majuskel eingebürgert.“ Allmählich bildeten sich die heute gebräuchlichen Regeln heraus, bei denen die Aufklärung mit ihrer Auffassung, dass das Substantiv das „Hauptwort“ sei und aus diesem Grund große Aufmerksamkeit verdiene, eine wichtige Rolle eingenommen hat. Heutzutage ist die Großschreibung eines Wortes zum Zwecke der Hervorhebung sprachübergreifend und unabhängig vom damaligen Gebrauch. Die heute in der deutschen Sprache übliche Großschreibung etablierte sich langsam durch den Gebrauch – deutsche Setzer und Drucker breiteten die Großschreibung aus.

Die Großschreibung wurde und wird jedoch nicht von jedem befürwortet. Bereits Jacob Grimm äußerte sich im Jahr 1854: „den gleichverwerflichen misbrauch groszer buchstaben für das substantivum, der unserer pedantischen unart gipfel heißsen kann, habe ich […] abgeschüttelt.“
Das Ziel des Schweizer Bundes für vereinfachte rechtschreibung (BVR) ist Folgendes:

– Verbesserung (und damit vereinfachung) der amtlichen rechtschreibung
– gemäss den ursprünglichen prinzipien unserer schrift
– im interesse der lesenden und der schreibenden
– Erhaltung und pflege des kulturguts buchstabenschrift
Anlässlich der vereinsgründung 1924 wurden ein kurz- und ein langfristiges ziel definiert.
Kleines ziel: Eigennamengrossschreibung (= substantivkleinschreibung, gemässigte kleinschreibung); Abschaffung von th, ph und rh
Grosses ziel: Umfassende reform aller ortografischen bereiche

Auf der Website des BVR finden Sie eine zweiseitige Pdf-Datei mit dem Titel „Sinnvolle statt grammatikalische grossschreibung: eigennamengrossschreibung = substantivkleinschreibung, gemässigte kleinschreibung“, die die Regeln und die Begründung für die Substantivkleinschreibung beinhaltet.

Die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 zielte auf die Vereinfachung der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum ab. Zur Diskussion stand ebenfalls die Abschaffung der Substantivgroßschreibung. Letztendlich wurde jedoch die Beibehaltung der Großschreibung beschlossen. Grund dafür war u.a. die vom Max-Planck-Institut angeführte Untersuchung, nach der ein Text mit Substantivgroßschreibung durch Muttersprachler schneller lesbar sei und die Kleinschreibung den Lesefluss störe. Es wird eingewendet, dass das Auge im Text markante Stellen benötige, das bedeutet also auch Großbuchstaben. Die Großschreibung stelle eine Hilfestellung dar, beschleunige den Leseprozess und erleichtere das Querlesen, da dann Substantive und Satzanfänge, die für das Verständnis des Textes besonders bedeutsam seien, vom Auge schneller erfasst würden. „Detailanalysen der Augenbewegungsmuster ließen den Schluss zu, dass in der Tat der Orientierungscharakter der Großbuchstaben dafür verantwortlich war.“ – Köbes: Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik (1/2005)

Nachfolgend zwei Textbeispiele in Groß- und Kleinschreibung, um selbst die Erfahrung machen zu können, ob der Text, der Großbuchstaben enthält, schneller zu lesen und übersichtlicher ist als der Text mit Kleinschreibung:

   

Einige Nachteile der Großschreibung bleiben jedoch bestehen, denn man muss die Regeln der Klein- und Großschreibung beherrschen. Außerdem können je nach Kontext fehlende oder sogar die Bedeutung ganzer Sätze verfälschen wie man in den folgenden Beispielen sehen kann:
Der gefangene Floh. – Der Gefangene floh.
Er hat liebe Genossen. – Er hat Liebe genossen.
Die Spinnen. – Die spinnen.

Zu guter letzt eine Ergänzung in Bezug auf die geschriebene Sprache in SMSen, E-Mails mit Freunden oder in sozialen Netzwerken. In denen es ist es nämlich gang und gäbe, alle Wörter kleinzuschreiben. Wahrscheinlich der Schnelligkeit und Einfachheit halber – und damit keine Missverständnisse entstehen.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: www.wikipedia.de. Bilder: www.sprache.org; www.wikipedia.de.]