Gerichtsdolmetschertag verabschiedet Resolution zur leistungsgerechten Vergütung

Johann J. AmkreutzDer 5. Deutsche Gerichtsdolmetschertag des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer e. V. (BDÜ) ist erfolgreich zu Ende gegangen. An zwei Kongresstagen gab es vom 25. bis 26. März 2011 für mehr als 300 juristische Dolmetscher und Übersetzer im Hannover Congress Centrum ein volles Programm mit 40 Vorträgen, Kurzseminaren und Workshops. „Die Vorträge der Referenten und die Beiträge der Teilnehmer zeigten den hohen Anspruch, mit dem Dolmetscher und Übersetzer im juristischen Bereich an ihre Arbeit herangehen“, so Johann J. Amkreutz (Bild rechts), Präsident des BDÜ. Die Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland sowie 12 europäischen Ländern. Neben dem Angebot zur beruflichen Fortbildung nutzten die Teilnehmer in den Pausen die Gelegenheit zum fachlichen Austausch – mit Kollegen ebenso wie mit den Referenten, darunter Richter, Anwälte und Hochschulprofessoren.

In seiner Eröffnungsrede unterstrich BDÜ-Präsident Amkreutz die Bedeutung von bundesweit einheitlichen Mindestanforderungen an Dolmetscher und Übersetzer im Justizbereich. Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben blieben in den meisten Bundesländern hinter den tatsächlichen Anforderungen des Berufes zurück. Nur in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg seien die Kenntnisse der Rechtssprache nachzuweisen. „Es sollten in ganz Deutschland die gleichen und vor allen Dingen adäquate Mindestanforderungen gelten“, fordert Amkreutz.

Den Eröffnungsvortrag hielt Dr. Jürgen Oehlerking (Bild unten), Staatssekretär im Niedersächsischen Justizministerium, in Vertretung für Justizminister Bernd Busemann. Oehlerkings Vortrag zeigte, dass er die Anforderungen des Berufs gut kennt. „Eine Übersetzung kann maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang eines Strafverfahrens haben“, so Oehlerking. Es komme ganz besonders auf sprachliche Genauigkeit, ja auf Feinheiten und Nuancen an. Deshalb stehe nicht nur für den Angeklagten, sondern für die gesamte Strafjustiz viel auf dem Spiel. „Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist das zentrale Anliegen des deutschen Strafprozesses. Ziel des Strafprozesses ist ein objektiver Ausspruch über Schuld, Strafe oder sonstige strafrechtliche Maßnahmen.“

Der Staatssekretär ging in seiner Rede auch auf die Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern im Justizbereich ein, die im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) geregelt ist. Oehlerking: „Nachdem die Regelung der Vergütung seit annähernd 7 Jahren in Kraft ist, habe ich Verständnis dafür, dass mit immer mehr Nachdruck eine Anpassung gefordert wird.“ Die Anpassung der Vergütung sei in nächster Zeit im Rahmen eines Gesamtpakets Gegenstand intensiver Erörterungen zwischen Bund und Ländern. Dabei werde es darum gehen, einerseits den berechtigten Interessen der Dolmetscher und Übersetzer Rechnung zu tragen. Zugleich müsse man aber auch den begrenzten finanziellen Handlungsspielraum der Länder berücksichtigen.

Jürgen Oehlerking

Resolution verabschiedet

Im Rahmen der Abschlussveranstaltung verabschiedeten die Teilnehmer des 5. Deutschen Gerichtsdolmetschertages in Hannover eine Resolution. Darin fordern sie eine leistungsgerechte Vergütung für Dolmetscher und Übersetzer im juristischen Bereich. Zu den Forderungen der Resolution zählen unter anderem eine deutliche Anhebung der Honorare für Dolmetscher und Übersetzer, Zuschläge für Nachtarbeit und die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen sowie eine Anpassung des Ausfallhonorars. Mit der Resolution im Gepäck wird der BDÜ die Gespräche mit Vertretern aus Justiz und Politik fortsetzen. Die Resolution im Wortlaut:

Gerichtsdolmetscher fordern leistungsgerechte Vergütung

Die Qualität der Sprachmittlung in Straf- und Zivilverfahren ist von elementarer rechtsstaatlicher Bedeutung. Es geht um die Sicherung der Rechte der Betroffenen, der Menschenwürde, der Gerechtigkeit.

Dafür muss auch praktisch sichergestellt werden, dass sprachlich und fachlich hochqualifizierte Dolmetscher und Übersetzer bei Gericht und in den vorausgehenden Ermittlungsverfahren zum Einsatz kommen.

Die Teilnehmer des 5. Gerichtsdolmetschertages des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) sehen die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich mit Besorgnis.

Waren früher die im Justizbereich festgeschriebenen Honorarsätze für Dolmetscher und Übersetzer Richtschnur für den übrigen Markt, so hat sich dies stark verändert: In der Wirtschaft werden inzwischen zum Teil deutlich höhere Honorare gezahlt als bei den Strafverfolgungsbehörden. Die Einführung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) im Jahr 2004 führte faktisch zu einer Senkung der Vergütungen. Damit gab es seit 1994 keine Anhebung der Vergütungen, trotz einer jährlichen Preissteigerungsrate von durchschnittlich 1,6%.

Staatliche Ermittlungsstellen zahlen oft Honorare, die sogar noch deutlich unter den gesetzlich festgelegten Vergütungen liegen.

Aus diesen Gründen werden in der Praxis zunehmend billige, nicht qualifizierte Laien als Dolmetscher und Übersetzer tätig – mit entsprechend mangelhaften Leistungen und negativen Konsequenzen für alle an einem Verfahren beteiligten Parteien.

Strafverfolgungsbehörden und Gerichte bieten außerordentlich schlechte Arbeitsbedingungen für Gerichtsdolmetscher: Für eine qualitativ hochwertige Dolmetschleistung ist die Kenntnis des Sachverhalts der vorgetragenen Inhalte dringend erforderlich. Während Auftraggeber auf dem freien Markt aus Qualitätsgründen bemüht sind, den Dolmetscher vor dem Termin mit entsprechenden Informationen zu versorgen, wird diese Notwendigkeit bei Gerichten und Strafverfolgungsbehörden häufig nicht gesehen.

Für Übersetzer erschweren geringe Volumina, fehlende Editierbarkeit der Ausgangstexte und andere Umstände die Arbeit im Justizbereich erheblich.

Die Teilnehmer des 5. Deutsche Gerichtsdolmetschertags des BDÜ fordern daher:

  • eine deutliche Anhebung der Honorare für Dolmetscher
  • Zuschläge für Nachtarbeit sowie die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen
  • die Anpassung des Ausfallhonorars an die marktüblichen Regelungen
  • eine deutliche Erhöhung der Vergütung für Übersetzer
  • die Streichung der Vergütungsvereinbarungen nach § 14 JVEG
  • die Vergütung durch staatliche Ermittlungsbehörden nach den Sätzen des JVEG
  • die uneingeschränkte Umsetzung der EU-Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren

Es muss durch ein faires und auskömmliches Vergütungssystem verhindert werden, dass sich immer mehr hochqualifizierte Sprachmittler aus dem System verabschieden und somit rechtsstaatliche Prinzipien gefährdet werden.

www.bdue.de

[Text: Birgit Golms. Quelle: Pressemitteilung BDÜ, 2011-03-28. Bild: BDÜ.]