Unsere Alltagssprache charakterisiert sich durch viele rhetorische Stilmittel wie beispielsweise Metaphern. Bei einer Metapher handelt es sich um eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird. In vielen Redewendungen wird Abstraktes durch Physisches umschrieben. Dies verdeutlichen die nachfolgenden Beispielsätze: Wir schauen zu Menschen auf, die wir respektieren. Wir blicken auf gestern zurück und dem Morgen entgegen.
Einen Bärendienst erweisen (Illustration von Gustave Doré)
„Unsere Kognitionen werden durch physisch wahrnehmbare Faktoren wie Wärme, Sauberkeit oder Gewicht beeinflusst“, so der Psychologe Lawrence Barsalou von der Emory University in Atlanta. Des Weiteren sind das Denken und Erinnern oft mit dem körperlichen Nachempfinden verbunden. „Das Gehirn simuliert Erfahrungen, um die Welt zu verstehen“, sagt Barsalou. Sprachliche Metaphern verdeutlichen die enge Beziehung zwischen Körper und Geist.
Emotionale Zustände zeigen sich häufig in metaphorischen Redewendungen (z.B. uns dreht sich der Magen um). Das subjektive Erleben wird sowohl in der Herzfrequenz, der Schweißproduktion, Körperspannung als auch in der Aktivität der Gesichtsmuskeln sichtbar. Ekel erregende Wörter wie „erbrechen“ haben ein Hochziehen der Oberlippe oder Rümpfen der Nase sowie Stirn zur Folge. Begriffe, die positive Reaktionen hervorrufen, wie zum Beispiel „lächeln“, erzeugen eine erhöhte Aktivität der Gesichtsmuskeln im Bereich der Wangen. Dies bedeutet also, dass wir beim Lesen emotional besetzter Begriffe emotionale Zustände simulieren. Somit sind das Denken, Wahrnehmen und die Motorik miteinander verflochten.
In einem Test hat sich herausgestellt, dass Probanden, die auf einem unbequemen Stuhl saßen, kompromissloser handelten als wenn sie auf einem bequemen Möbelstück Platz nahmen. In einem anderen Versuch hörten die Teilnehmer zeitbezogene Wörter wie „gestern“ oder „morgen“. Im Anschluss daran sollten sie sagen, in welchem Ohr die Begriffe lauter klangen, wobei sie mit gleicher Lautstärke ertönten. Vergangenheitsbezogene Wörter wurden im linken Ohr, zukunftsbezogene Begriffe hingegen im rechten Ohr lauter gehört. Es folgt ein weiteres Beispiel für verkörpertes Denken: Teilnehmer, die sich an vergangene Geschehnisse erinnern sollten, neigten ihren Oberkörper leicht zurück. Als sie jedoch eine zukunftsbezogene Aufgabe erledigen sollten, kippten sie nach vorn.
Da unsere Bewegungen und Wahrnehmungen häufig flüchtig sind, nehmen wir die Auswirkungen auf die Sprache und auf unser Denken nicht wahr. Eine Studie von Arthur Glenberg hat gezeigt, dass Kinder, die beim Lesen die im Text beschriebenen Handlungen mit Bildern oder Spielzeugen nachstellten, einen größeren Wortschatz entwickelten und ihr Leseverständnis verbesserten. Dieses Beispiel zeigt noch einmal, dass die mentale Leistung durch körperliches Inszenieren erhöht werden kann. Somit spielt das verkörperte Denken eine wichtige Rolle in unserem Leben.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: Gehirn&Geist, Nr.7-8/2011, S. 2024. Bild. Dbenzhuser (Wikipedia).]