Büros verschaffen sich Profile qualifizierter Übersetzer, um Ausschreibungen zu gewinnen

Schwarzes SchafEs gibt unter den Übersetzungsagenturen schwarze Schafe, die sich unter einem Vorwand Profile und Abschlusszeugnisse überdurchschnittlich gut qualifizierter Übersetzer und Dolmetscher verschaffen, damit Ausschreibungen gewinnen und dann die Aufträge an andere, schlechter qualifizierte und vor allem billigere Sprachmittler vergeben.

Aus aktuellem Anlass rät der Übersetzerverband ATICOM allen Übersetzern und Dolmetschern, genau darauf zu achten, an welche Vermittlungsbüros man die eigenen Daten weitergibt.

Büros versprechen Großaufträge von Behörden und Institutionen

Einige Büros bieten Freiberuflern neuerdings eine Zusammenarbeit bei Großprojekten an. Dabei geben sie sich als Exklusivauftragnehmer von deutschen oder europäischen Behörden und Institutionen aus. Sie stellen den angefragten Übersetzern hohe Auftragsvolumina in Aussicht, indem sie versprechen, diejenigen Dolmetscher und Übersetzer, die Fragebögen zur Qualifikation, Arbeitsplatzausstattung und Ähnliches ausgefüllt zurückschicken, bei der Auftragsvergabe des vermeintlichen Großprojektes bevorzugt zu berücksichtigen.

Alle freiberuflich arbeitenden Dolmetscher und Übersetzer sollten dazu jedoch wissen, dass bei Großaufträgen immer eine offizielle Ausschreibung stattfindet, an der auch Einzelübersetzer teilnehmen können.

In NRW sind Justizbehörden verpflichtet, direkt Einzelübersetzer zu beauftragen

Deutsche Behörden sind immer mehr – auch aus Datenschutzgründen – gehalten, ihre Auftragnehmer direkt aus der Datenbank www.Justiz-Dolmetscher.de zu beauftragen. In einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen ist es sogar durch eine Verordnung des Ministeriums vorgeschrieben, dass bei Justizbehörden kein Makler mehr dazwischen geschaltet werden darf. Somit wäre die Beauftragung über den Makler auch ein Verstoß gegen geltende Verordnungen.

Ziel der Büros: Profile von besonders gut qualifizierten Sprachmittlern ergattern

Unter einem Vorwand, meistens dem Versprechen den Einzelübersetzer für ein langfristiges Großprojekt einzusetzen,  beschaffen sich Makler Daten von qualifizierten freiberuflichen Kollegen und geben diese dann auch bei inländischen oder europäischen Ausschreibungen, z. B. der EU, als eigene Mitarbeiter aus.

Mit diesem Trick verschaffen sich die Makler erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Einzelübersetzer, da damit der Eindruck erweckt wird, der Makler verfüge über einen Stamm eigener qualifizierter Übersetzer.

Aufträge werden an andere (billigere) Übersetzer vergeben

Aber eine Garantie, dass man als Qualifizierter von diesem Makler auch tatsächlich Aufträge erhält, wenn man seine Daten an das anfragende Maklerbüro weitergegeben hat, wird selbstverständlich nicht gegeben.

Es kann also sein, dass sich das Maklerbüro lediglich mit den Daten des freiberuflichen Übersetzers und Dolmetschers einen Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen verschafft – ohne dass der Übersetzer im Gegenzug überhaupt davon in Kenntnis gesetzt oder gar tatsächlich später, wenn der Makler den Zuschlag erhält, selbst beauftragt wird.

Auf diese Weise akquirierte Aufträge werden seitens des Maklers dann nämlich nach der weit verbreiteten Praxis nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, d. h. niedrigster Honorarsatz, an den Günstigsten vergeben, unabhängig von der Qualität und der Qualifikation.

Auch Auftraggeber werden getäuscht

Nicht nur der Übersetzer, sondern auch der Auftraggeber des Maklers (z. B. die Behörde) wird getäuscht. Denn dieser geht davon aus, dass der qualifizierte Kollege, dessen Daten der Makler bei der Ausschreibung vorgelegt hat, auch mit der Übersetzung bzw. dem Dolmetscheinsatz beauftragt wird.

Unlauteres Vorgehen ist für Büros ohne Risiko

Da eine Kontrolle, ob das wirklich so ist, nicht stattfindet und weder Behörde noch freiberuflicher Kollege voneinander Kenntnis haben, ist diese manipulative Vorgehensweise für den Makler relativ sicher und risikolos.

ATICOM rät zur Vorsicht, um Praktiken nicht unwissentlich zu unterstützen

ATICOMDer Fachverband der Berufsübersetzer und Berufsdolmetscher, ATICOM, warnt daher seine Mitglieder und alle Kollegen davor, diese Praktiken unwissentlich durch die Weitergabe der eigenen Daten zu unterstützen.

www.aticom.de

[Text: Dragoslava Gradincevic-Savic. Quelle: ATICOM. Bild: by-studio / fotolia.de; ATICOM.]