Anglizismus des Jahres 2013: die Nachsilbe -gate

Anglizismus des Jahres 2013

Platz 1: -gate

Die Nachsilbe –gate kam 1972 mit Lehnwort Watergate(-Skandal) ins Deutsche. Im Englischen machte sich der Wortbestandteil -gate zur Benennung von Skandalen aller Art schnell selbstständig.

Im Deutschen ließ die erste Neuschöpfung bis 1987 auf sich warten, als der Spiegel das Wort Waterkantgate für die Barschel-Affäre populär machte. Danach ging es zunächst schleppend voran (z.B. Nersing-Gate 1990, Börsengate 1997, Bimbes-Gate 2000).

In den letzten Jahren explodierte die Produktivität des Wortbildungselements dann geradezu – Schlag auf Schlag folgten Dirndlgate, Rüttgersgate, Ullagate (2009), Konstantingate, Schrippengate, Watsch’n-Gate (2010), Hymnengate, Krawattengate, Scheiße-Gate (2011) und Hosengate, Jogi-Gate, Kraftgate, Krippengate, Nasengate (2012).

Im Jahr 2013 gab es schließlich mehr als ein Dutzend „Gates“, darunter das Handy-Gate, ein zweites Dirndlgate (auch: Brüderle-Gate), ein Eierlikörgate, ein Handtaschen-Gate und ein Mops-Gate.

Lehnwörter sind nur in den seltensten Fällen exakte Kopien der entsprechenden Wörter in der Ursprungssprache. Stattdessen werden sie von der entlehnenden Sprachgemeinschaft den eigenen Bedürfnissen angepasst. Sie erhalten häufig neue Bedeutungen (wie der Sieger von 2011, Shitstorm, der im Englischen unangenehme Situationen allgemein bezeichnet, im Deutschen aber einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien) und sie werden in die Grammatik der Sprache eingefügt (wie der Sieger von 2010, leaken, dessen Partizip ganz deutsch geleakt lautet).

-gate und andere Vor- und Nachsilben (wie das zweitplatzierte Fake- oder das ebenfalls nominierte Cyber-) gehen einen Schritt weiter: Sie integrieren sich vollständig in das Sprachsystem und stehen dann zur Bildung beliebiger neuer Wörter zur Verfügung. Dabei tendiert –gate im Deutschen (stärker als im Englischen) dazu, eher triviale Skandälchen zu benennen, kann aber – siehe Handy-Gate oder Dirndl-Gate – nach wie vor auch schwerwiegenden Affären einen Namen geben.

Platz 2: Fake-

Als Vorsilbe hat sich Fake- im Sprachgebrauch in den letzten Jahren vom vorher schon aus dem Englischen entlehnten Wort Fake emanzipiert und steuert heute in zusammengesetzten Wörtern eine abstrakte Bedeutungskomponente von „unecht, gefälscht, unaufrichtig“ bei (etwa in Fake-Profil, Fake-Fan oder Fake-Dokumentation). Interessant daran ist, dass (wie beim Sieger –gate) zunehmend Neubildungen mit Fake- innerhalb des Deutschen entstehen, die im Englischen keine Entsprechung haben (Fake-Preußentum, Fake-SPD-Mann).

Platz 3: Whistleblower

Als positiv belegte Alternative zu Wörtern wie Geheimnisverräter ist Whistleblower bereits länger Teil des deutschen Wortschatzes und erreichte in der Wahl zum Anglizismus des Jahres 2010 schon einmal den dritten Platz.

Die Ereignisse um die Enthüllungen von Edward Snowden und die Verurteilung von Chelsea Manning verliehen der Diskussion um den Umgang mit Whistleblowern eine erneute Aktualität und trugen damit auch zu einer noch breiteren Verwendung des Wortes selbst bei. Die herausragende Rolle des Wortes in der öffentlichen Diskussion spiegelt sich auch in seinem klaren Sieg in der Publikumswahl wieder.

Platz 4: Selfie

Das Phänomen des digitalen Selbstporträts in sozialen Netzwerken war kulturell zwar nicht unbekannt, aber vor 2013 weitgehend unbenannt. Das Wort Selfie entstand im australischen Englisch als Ableitung aus self portrait („Selbstportrait“), erkennbar an der typisch australischen Verkleinerungsendung -ie.

Von dort aus eroberte es nicht nur die Welt, sondern auch die Wörterwahlen – es gewann sowohl in Großbritannien als auch in den Niederlanden die Auszeichnung Wort des Jahres und hat auch bei uns die Top 3 nur knapp verfehlt.

Platz 5: Hashtag

Was als Bezeichnung für ein Verschlagwortungssignal auf dem sozialen Netzwerk Twitter begann, hat sich inzwischen nicht nur auf andere Netzwerke ausgebreitet, sondern ist durch die Preisgekrönte #aufschrei-Aktion gegen Alltagssexismus auch zu einem Synonym für einen Onlineaktivismus geworden, bei dem Betroffene von Diskriminierung ihre Erfahrungen zusammentragen. Immer häufiger findet es sich auch in der gesprochenen Sprache, wo es dazu dient, Aussagen einen (oft ironischen) Meta-Kommentar hinzuzufügen.

Über die Initiative „Anglizismus des Jahres“

Sprachgemeinschaften haben überall und zu jeder Zeit Wörter aus anderen Sprachen entlehnt. Als globale Verkehrssprache spielt dabei derzeit das Englische für alle großen Sprachen eine wichtige Rolle als Gebersprache.

Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ würdigt seit 2010 jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. Bisherige Anglizismen des Jahres waren leaken (2010), Shitstorm (2011) und Crowdfunding (2012).

Über die Jury

Den Vorsitz der Jury hat Anatol Stefanowitsch, Professor für anglistische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Autor beim populärwissenschaftlichen Sprachlog. Mitglieder der Jury waren die Anglistin Susanne Flach (Freie Universität Berlin, Autorin beim Sprachlog), die Germanistin Kristin Kopf (Universität Mainz, Autorin beim Sprachlog) und der Germanist Michael Mann (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Autor beim Lexikographieblog).

www.anglizismusdesjahres.de

[Text: Anglizismus des Jahres. Quelle: Pressemitteilung Anglizismus des Jahres, undatiert [Januar 2014]. Bild: Anglizismus des Jahres.]