Vor dem Bremer Landgericht müssen sich zurzeit sechs Türken und ein Bulgare wegen bandenmäßigen Drogenhandels verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern vor, mindestens sieben Kilogramm Heroin und 500 Gramm Kokain aus der Türkei nach Deutschland geschmuggelt zu haben.
Die Kreiszeitung beschreibt, wie die Anwälte der Angeklagten die Gerichtsdolmetscherin aus dem Verfahren kegeln:
[…] Anwalt Alexander Jung [stellt] einen Befangenheitsantrag gegen eine anwesende Dolmetscherin. Die Frau wirkt verdutzt, runzelt die Stirn. Dann die Begründung: Nach Aussage seines Mandanten habe die Dolmetscherin im Vorfeld der Verhandlung mit der Ex-Frau des Mannes über die Anklage und einzelne Tatbeiträge gesprochen. Auch der Name seines Mandanten sei gefallen.
Da die Frau Informationen an Dritte weitergegeben habe, bestehe „die Besorgnis, dass sie die hinreichende Neutralität nicht wahre“. Richter Kellermann übergibt an einen anderen Dolmetscher. Bis Freitag soll die Frau eine Erklärung abgeben. Kellermann sagt am Ende des Tages, dass auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Frau nicht auszuschließen sei.
Auch der zweite vom Gericht bestellte Dolmetscher wird noch am selben Tag ebenfalls attackiert:
Bei der Übersetzung der Anklage sowie einzelner Anträge der Anwälte sollen sich „eklatante Mängel“ ergeben haben, moniert ein Angeklagter, der sowohl deutsch als auch türkisch spricht.
Die Strategie der Verteidigung lautet: Verschleppen
Bei Terrorismusprozessen und Verfahren gegen die organisierte Kriminalität fahren die Verteidiger üblicherweise eine Verschleppungsstrategie, wenn sie sonst keine Argumente vorzubringen haben. Das Verfahren wird unter allen nur möglichen Vorwänden torpediert und verzögert.
In dieses Bild passt auch, dass einige Anwälte in Bremen den Antrag stellten, den Prozess erst einmal auszusetzen, weil sie zu wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt hätten.
Angriffe der Verteidigung auf Übersetzer und Dolmetscher sind Teil des Spiels
Ein leichtes Opfer der Anwälte ist stets auch die Berufsgruppe der Dolmetscher und Übersetzer. Unerfahrene Kolleginnen und Kollegen nehmen die Vorwürfe dann persönlich und glauben, sie hätten etwas falsch gemacht oder zweifeln an ihrer Dolmetschkompetenz. Aber darum geht es gar nicht.
Dolmetsch- und Übersetzungsfehler lassen sich immer behaupten. Die Richter können das oft nicht überprüfen und tauschen dann vorsichtshalber den Dolmetscher aus.
Und um einen Befangenheitsantrag zu begründen, reicht es bereits aus, dass sich der Dolmetscher im Gerichtssaal oder auch vor dem Gericht, etwa auf dem Parkplatz, mit Angehörigen der Angeklagten unterhält. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Dolmetscher überhaupt weiß, mit wem er da gesprochen hat.
Denkbar ist auch, dass Angehörige der Angeklagten die Dolmetscher bewusst ansprechen, um einen Anlass zu generieren, sie der Befangenheit zu beschuldigen.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Kreiszeitung, 2015-07-30. Bild: Richard Schneider.]