Die Anfänge gezielter Dolmetscherausbildung in deutscher Sprache sind im Konstantinopel der frühen Neuzeit zu suchen.
Die Übersetzerin Cécile Balbous hat sich auf die Spuren der „Sprachknaben“ begeben und herausgefunden, warum ausgerechnet die Habsburger die systematische Ausbildung von Dolmetschern initiierten und ein Sprachknaben-Institut gründeten.
Sie erklärt, warum das in Konstantinopel geschah und wie genau die angehenden Dolmetscher ausgewählt und ausgebildet wurden.
Balbous erzählt die Geschichte des habsburgischen Sprachknaben-Instituts in Konstantinopel von A bis Z und hat dabei stets sowohl die historischen Rahmenbedingungen als auch die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten des 16. und 17. Jahrhunderts im Blick.
In der Einleitung schreibt sie:
Es geht in dieser Arbeit um die Geschichte des Dolmetschens, deshalb ist der historische Kontext besonders wichtig. […] Dieser Ansatz gilt insbesondere für die Dragomane bzw. Sprachknaben im politischen, religiösen und wirtschaftlichen Kontext des 16. und 17. Jahrhunderts. Hier darf auf keinen Fall der Fehler begangen werden, das Verständnisgerüst des 21. Jahrhunderts zu benutzen, um Ereignisse der damaligen Zeit zu verstehen.
Genau in dieser Periode (1453 – 1700), an der Wende zur Moderne, geschah es, dass ein neues System die alte Wertordnung aus dem Mittelalter ersetzte. […] Das Politische wurde wichtiger als das Religiöse.
In diesem Kontext wird dann die Frage untersucht, warum die europäischen Mächte sich dafür entschieden, ihre eigenen Dolmetscher für ihre Beziehungen mit dem Osmanischen Reich auszubilden. Hier werden Begriffe wie Sprachknaben, Dragomae etc. definiert. Darüber hinaus werden auch die ersten Ausbildungsmodelle und ihre Erfolge bzw. Misserfolge beschrieben.
Im dritten Teil wird genauer auf das Modell Frankreichs und der Habsburgermonarchie eingegangen. Diese zwei Schulen sind von zentraler Bedeutung, […] weil beide Schulen zur Gründung der Orientalischen Akademie in Wien bzw. der Ècole des Jeunes de Langue und später der Schule der orientalischen Sprachen in Paris geführt haben. […]
Es stellte sich damals schon die Frage, ob eine Dolmetschausbildung eine rein sprachliche Ausbildung sein sollte oder ob die politischen, kulturellen Kompetenzen neben den sprachlichen Kenntnissen genauso wichtig sind.
Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis:
Zur Autorin
Cécile Balbous studierte Deutsche Philologie an der Université Catholique de l’Ouest in Angers (UCO-IPLV) sowie Konferenzdolmetschen an der Universität Wien. Nach verschiedenen Anstellungen als Dolmetscherin und Übersetzerin in der Wirtschaft ist sie seit 2005 in Wien freiberuflich tätig.
Bibliografische Angaben
- Cécile Balbous (2015): Das Sprachknaben-Institut der Habsburgermonarchie in Konstantinopel. Frank & Timme, Berlin. 90 Seiten, 18,50 Euro, ISBN 978-3-7329-0149-4.
- 2005-01-13: Wohlhabend und einflussreich: Dragomane im Osmanischen Reich
- 2004-09-10: Diplomatische Akademie Wien: 250 Jahre Dolmetscherausbildung – Maria Theresia sei Dank
Frank & Timme