Bundestag beschließt: Anspruch auf Gebärdensprach-Dolmetscher künftig in allen Gerichtsverfahren

Uwe Schummer
Uwe Schummer ist in der CDU/CSU-Fraktion Beauftragter für Menschen mit Behinderungen

Gehörlose haben künftig bei Gerichtsverfahren jeglicher Art Anspruch auf einen Gebärdensprachdolmetscher während des gesamten Verfahrens. Die Kosten dafür hat die Staatskasse zu tragen.

Dies hat der Deutsche Bundestag am 22.06.2017 mit den Stimmen der Großen Koalition durch Verabschiedung des „Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung von Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen“ (EMöGG) beschlossen.

Bislang bestand ein gesetzlicher Anspruch auf eine Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetscher nur für Strafverfahren. Bei allen übrigen Gerichtsverandlungen wurden die Kosten für Gebärdensprachdolmetscher nur für die mündliche Hauptverhandlung übernommen.

Künftig gilt dieser Anspruch im gesamten Verfahrensverlauf und in allen Rechtsbereichen, also nicht nur dem Strafrecht.

Uwe Schummer ist in der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Beauftragter für Menschen mit Behinderungen und hat offenbar maßgeblich an der Gesetzesänderung mitgewirkt. Er erklärt:

Menschen mit einer Hörbehinderung haben künftig im gesamten Gerichtsverfahren das Recht auf einen Gebärdensprachdolmetscher oder andere für sie notwendige Kommunikationshilfen.

 

Das betrifft rund 80.000 Gehörlose und etwa 140.000 schwerhörige Menschen in Deutschland, die in Gebärdensprache kommunizieren.

 

Sie müssen künftig nicht mehr die Dolmetscherkosten selber tragen. Der Bund wird diese übernehmen und sorgt damit für einen wichtigen Nachteilsausgleich im Justizwesen.

In den Vorbemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 26.10.2016 werden die Beweggründe für die Gesetzesänderung und ihre finanziellen Folgen wie folgt umrissen:

Für Personen mit Sprach- und Hörbehinderungen ist im Strafverfahren eine Beiordnung einer Sprach- oder Übersetzungshilfe für das gesamte Verfahren vorgesehen, bei anderen gerichtlichen Verfahren jedoch nur für die Hauptverhandlung (§§ 186, 187 GVG). Dies hat Auswirkungen darauf, wer die Kosten für eine Inanspruchnahme außerhalb der mündlichen Verhandlung zu tragen hat.

 

Die bestehende Regelungslücke hinsichtlich des Tragens dieser Kosten für das gerichtliche Verfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung soll geschlossen werden.

 

Für Personen mit Sprach- und Hörbehinderungen tritt eine Entlastung in Höhe von 97.500 Euro ein, da die Kosten der Übersetzungsleistungen nunmehr von den Gerichten und nicht mehr von den betroffenen Personen selbst zu tragen sind.

 

Bislang wurden von den Gerichten für Personen mit Sprach- und Hörbehinderungen die Kosten für Übersetzungsleistungen in der mündlichen Verhandlung übernommen, die weiteren Übersetzerkosten hatten die betroffenen Bürgerinnen und Bürger selbst zu tragen. Künftig haben die Gerichte die gesamten Kosten der Übersetzungsleistungen für ein gerichtliches Verfahren zu tragen.

 

Der Mehraufwand wird ca. ein Viertel der Gesamtkosten für Gebärdensprachdolmetscher umfassen. Derzeit belaufen sich die bisherigen Gesamtkosten für die ordentlichen Gerichte auf 290.000 Euro, ihr künftiger Mehraufwand wird demnach ca. 72.500 Euro betragen.

 

Die Verwaltungs-, Arbeits- und Finanzgerichte tragen bislang Gesamtkosten in Höhe von ca. 100.000 Euro für Gebärdensprachdolmetscher, ihr Mehraufwand wird folglich ca. 25.000 Euro betragen.

 

Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist somit von einer jährlichen Entlastung von ca. 97.500 Euro auszugehen. Zusätzlicher Aufwand entsteht für die Bürgerinnen und Bürger nicht.

Der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer zu den weiteren Perspektiven: „Für die Union ist das ein erster wichtiger Schritt. In der nächsten Legislaturperiode werden sich CDU und CSU dafür einsetzen, dass künftig auch die Rechtsberatung im Vorfeld des Verfahrens barrierefrei wird, um gehörlosen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Gerichtsverfahren zu ermöglichen.“

[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung CDU-CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 21.06.2017; Gehörlosenzeitung, 2017-06-23; Gesetzentwurf, 2016-10-26. Bild: CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.]