Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mindestens 16 ehemalige Beschäftigte des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), die heute zum größten Teil Angestellte des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sind.
In neun Fällen geht es um die Auftragsvergabe im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung, in vier Fällen um Hostel-Abrechnungen und in drei Fällen um überhöhte Honorare für Dolmetscher, wie die LAF-Präsidentin Claudia Langeheine gegenüber der Presse erklärte.
Die Zeitung Neues Deutschland schreibt:
Auch Dolmetscher sollen zu viel Geld erhalten haben. Zu den Hochzeiten der Zuzugszahlen waren freiberufliche Dolmetscher zum Teil 14 Stunden im Einsatz. Pro Stunde sollen sie 14 Euro erhalten haben.
Nacht- und Wochenendzuschläge waren nicht vorgesehen und konnten daher auch gar nicht abgerechnet werden. Man einigte sich darauf, bei Einsätzen außerhalb der regulären Dienstzeiten die doppelte Anzahl an Stunden abzurechnen. Man fand „pragmatische Problemlösungen“, wie es ein Mitarbeiter ausdrückt.
Verunsicherung und Wut bei den betroffenen Sachbearbeitern
„Die Ermittlungen haben einige Beschäftigte in höchste Verunsicherung versetzt“, sagt Andreas Stoll von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Er plädiert dafür, die damalige Arbeitsweise im Kontext der Umstände zu sehen. Die Mitarbeiter hätten im Chaos versucht „zu retten, was zu retten ist“. Er wünsche sich von der Politik, dass sie sich öffentlich dazu äußere und daran appelliere, nicht die normalen Verhältnisse als Maßstab zu nehmen.
Der Unmut der einfachen Sachbearbeiter ist nachvollziehbar, zumal keinem der Betroffenen vorgeworfen wird, sich persönlich bereichert zu haben. Sie verstehen nicht, warum die Sache nicht intern disziplinarrechtlich geprüft wird, sondern gleich der Staatsanwalt eingeschaltet wird.
Zudem empfinden sie es als ungerecht, dass nun sie sich als kleinstes Rädchen im Getriebe und unterste Ebene wegen einiger im damaligen Tohuwabohu nicht eingehaltener Dienstvorschriften möglicherweise vor Gericht verantworten müssen. Wo doch schon Angela Merkels einsame Entscheidung, ein „Jahr der offenen Tür“ zu veranstalten, gegen deutsches und europäisches Recht verstieß.
LAF hat LAGeSo die Zuständigkeit für Flüchtlinge abgenommen
Das neu gegründete LAF hatte seine Arbeit am 1. August 2016 aufgenommen. Es ist seitdem für die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern zuständig. Das LAGeSo, das vorher für das Flüchtlingswesen verantwortlich war, hatte sich als unfähig erwiesen.
In der Wikipedia heißt es zu den damaligen Verhältnissen, die an Behörden in Bananenrepubliken und Entwicklungsländern erinnerten: „In Deutschland wurde das LAGeSo 2015 zum Sinnbild für die Probleme bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen. Seit Sommer 2015 standen vor dem LAGeSo täglich bei Hitze wie bei Regen mehr als tausend Flüchtlinge an.“
Berlin ist heute besser auf die Aufnahme und Betreuung auch größerer Flüchtlingszahlen vorbereitet als auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle im Jahr 2015. Dennoch leben in der Stadt noch immer rund 10.000 Menschen in Notunterkünften.
[Text: Richard Schneider. Quelle: rbb, 2017-07-04; Berliner Zeitung, 2017-07-26; Neues Deutschland, 2017-07-26. Bild: LAF auf Twitter.]