Donnerstagabend, 21:00 Uhr, wenige Stunden nach dem islamistischen Terroranschlag in Barcelona, der 13 Todesopfer forderte:
N24 kündigt ein „Statement“ der katalonischen Regionalregierung an und schaltet live zu einer Pressekonferenz des Präsidenten Carles Puigdemont i Casamajo.
Der Nachrichtensender hat einen Simultandolmetscher für Spanisch bestellt, der die Ansprache ins Deutsche übertragen soll.
Die Zuschauer sehen, wie der Präsident ans Pult tritt, die Anwesenden begrüßt und eine Erklärung verliest. Doch der Dolmetscher bleibt stumm. Fast eine Minute lang. Dann meldet sich der Moderator aus dem Off und erklärt:
Sie sehen den katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont. Er spricht im Moment noch Katalanisch und sobald er dann ins Spanische wechseln wird, werden wir sofort dann natürlich mit unserer Übersetzung beginnen.
Katalanisch ist eine sehr schwierige Sprache. Eine Sprache, die nur in Katalonien gesprochen wird. Und deshalb, äh …
Jetzt übernimmt die Moderatorenkollegin das Wort, weil Puigdemont keine Anstalten macht, „ins Spanische zu wechseln“. Warum auch? Er ist der Präsident Kataloniens – und nicht Spaniens.
Die Moderatorin kündigt an, die Erklärung der Regierung Kataloniens später zusammengefasst nachzutragen. Vorerst schalte man in die Werbung und mache dann mit einem anderen Beitrag weiter.
In Katalonien wird Katalanisch gesprochen – gerade von den Regionalpolitikern
Das mit einem Autonomiestatut versehene Katalonien versteht sich als eigenständige Kulturnation und legt viel Wert darauf, vorrangig die katalanische Sprache zu verwenden, die neben dem Spanischen Amtssprache ist.
Und offenbar lässt sich der Präsident der Generalitat de Catalunya auch von einem Terroranschlag nicht davon abhalten, seine Muttersprache zu verwenden – trotz der internationalen Bedeutung der Ereignisse.
Dolmetscherin des Konkurrenzsenders n-tv hat keine Probleme
Für die Zuschauer war die Situation irritierend und frustrierend. Da wird eine mit Spannung erwartete Erklärung mehrfach angekündigt und dann minutenlang übertragen, aber man erfährt über deren Inhalt nichts.
Viele Zuschauer dürften enttäuscht zum Konkurrenzsender n-tv weitergeschaltet haben. Und siehe da: Dort wird gleichzeitig dieselbe Pressekonferenz übertragen. Und eine Dolmetscherin redet munter drauflos. Sie hat offenbar keinerlei Probleme, die Erklärung der Regionalregierung ins Deutsche zu übertragen.
Hatte n-tv nur Glück, dass die Spanisch-Dolmetscherin auch mit Katalanisch zurechtkam? Oder hatte die Redaktion gründlicher recherchiert und in weiser Voraussicht eine Dolmetscherin bestellt, die auch die Sprache der selbstbewussten Provinz im Nordosten Spaniens beherrscht? Wir wissen es nicht.
Richard Schneider