Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) hat dem in Den Haag ansässigen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien den Hieronymuspreis des Verbandes verliehen. Mit diesem werden „vorbildliche Leistungen im Bereich der mehrsprachigen Kommunikation“ ausgezeichnet.
Die Jury zu ihrer Entscheidung: „Mit dem Preis würdigt der BDÜ nicht nur die Organisation und deren Arbeit, sondern auch die Tätigkeit der Sprachexperten, die in den vergangenen Jahren Unglaubliches geleistet haben. Die Übersetzer und Dolmetscher arbeiteten unter anderem in neuen Gebieten des Völkerrechts, der Medizin und Forensik, an militärischen Dokumenten, den historischen Hintergründen der ethnischen Konflikte und erschütternden Zeugenaussagen.“
In seiner Begrüßungsrede zitierte BDÜ-Präsident André Lindemann mit Blick auf diese sprachlichen Meisterleistungen auch den 2004 verstorbenen Schauspieler, UNICEF-Botschafter und Präsidenten der Weltföderalisten Sir Peter Ustinov mit den Worten: „Wenn man zu viele Talente hat, endet man irgendwann als Übersetzer bei den Vereinten Nationen.“
Für die Auszeichnung bedankte sich John Hocking, Beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen und oberster Verwaltungschef des Strafgerichtshofs: „Sie zeichnen mit dem renommierten Hieronymuspreis einen Sprachendienst aus, dem eine Schlüsselrolle zukommt, wenn es darum geht, Kriegsverbrechen der Gerechtigkeit zuzuführen. Da nun im Dezember der UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien seine Arbeit vollbracht haben und seine Tore schließen wird, hoffe ich, dass das fachliche und moralische Vermächtnis unserer Sprachexperten weiterhin Übersetzer und Dolmetscher in der ganzen Welt inspirieren wird, noch bessere Vermittler im interkulturellen Dialog und für den Frieden zu werden.“
Nominiert für seine vorbildliche Zusammenarbeit mit Übersetzern und Dolmetschern wurde der Preisträger aus den Reihen eben dieses hauseigenen Sprachendienstes, der „Conference and Language Services Section“.
Deren Leiterin Maja Ružić berichtete denn auch in leidenschaftlichen Worten von der oft sehr belastenden und hoch verantwortungsvollen, aber im Wissen darum, dass die Opfer Gerechtigkeit erfahren, letztlich sehr erfüllenden Arbeit der letzten 24 Jahre. Umso mehr freue sie sich auch im Namen ihrer Kolleginnen und Kollegen über die verdiente Anerkennung durch die Auszeichnung.
Preisübergabe in Erfurt auf Hieronymus-Veranstaltung des Landesverbands Thüringen
Die Preisübergabe fand am 29.09.2017 im Rahmen einer Festveranstaltung am Vorabend des Hieronymustags im Erfurter Augustinerkloster statt. Dort hatte der BDÜ-Landesverband Thüringen ein Programm rund um das Übersetzen und Dolmetschen organisiert.
Unter anderem konnten die Gäste einem Vortrag des renommierten Bibelexperten Professor Dr. Christoph Kähler folgen. Dieser beschrieb die Herausforderungen eines translatorischen Mammutprojekts, in dessen Rahmen 70 Bibelwissenschaftler mehr als fünf Jahre lang mit der Überarbeitung der Lutherbibel beschäftigt waren.
Über den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
Aufgabe des 1993 auf Basis der Resolution 827 der Vereinten Nationen gegründeten Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien ist es, den Kriegsopfern eine Stimme zu geben und Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen.
Der ICTY ist das erste von der UNO etablierte Strafgericht für Kriegsverbrechen und steht in der aufklärerischen Tradition der Nürnberger Prozesse, die wiederum als Geburtsstunde des Simultandolmetschens gelten.
Die Bedeutung der Sprachexperten für diese Arbeit ist unübersehbar: Beim ICTY waren seit Bestehen der Behörde durchschnittlich 10 Prozent der Mitarbeiter mit Dolmetschen und Übersetzen beschäftigt und kamen dabei auf beachtliche 79.000 Stunden Simultandolmetschen und rund eine Million übersetzter Seiten.
Über den BDÜ Hieronymuspreis
Gelungene Kommunikation in mehreren Sprachen ist ein Erfolgsfaktor für Unternehmen und bei internationalen Organisationen von elementarer Bedeutung. Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer hat deshalb 2012 den Hieronymuspreis aus der Taufe gehoben und vergibt diesen seither jährlich für vorbildliche Leistungen im Bereich der mehrsprachigen Kommunikation.
Bei der Auswahl des Preisträgers steht nicht nur das Was im Fokus, also die Sprachdienstleistung selbst, sondern auch das Wie, d. h. die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Übersetzern und Dolmetschern und dem Auftraggeber. Über die Jahre und durch die unterschiedlichen Preisträger entsteht so ein Positivbild, sozusagen die Best Practices, für die vom BDÜ vertretenen Berufe.
Der Name des Preises geht auf den Heiligen Hieronymus zurück, der als Schutzpatron der Übersetzer gilt.
[Text: BDÜ. Quelle: Pressemitteilung BDÜ, 2017-09-30. Bild: Tom Wenig für den BDÜ.]