Puigdemont-Rede: Fünf Katalanisch-Dolmetscher auf fünf Nachrichtenkanälen gleichzeitig

Carles Puigdemont
Carles Puigdemont bei seiner mit Spannung erwarteten Rede. – Bild: Screenshot

Ein Dolmetschschauspiel der besonderen Art bot sich am Abend des 10.10.2017 den Fernsehzuschauern: Auf den fünf deutschsprachigen Nachrichtenkanälen ntv, N24, tagesschau24, Phoenix und Euronews wurde die Rede des katalonischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont direkt übertragen.

Jeder Sender hatte eine Dolmetscherin (bzw. Euronews einen Dolmetscher) für Katalanisch und Spanisch engagiert. Bei ein oder zwei Sendern war die Kabine offenbar sogar doppelt besetzt.

Wer sich fürs Dolmetschen interessiert, hatte also die Möglichkeit, nahtlos zwischen fünf Sprachkanälen hin- und herzuschalten – die alle dieselbe Sprachrichtung übertrugen.

Euronews hat inhaltlich Probleme, N24 mit nervöser Stimme – alle anderen einwandfrei

Bei Euronews geriet der Dolmetscher immer wieder ins Hintertreffen und übertrug streckenweise nur zusammenfassend. Seine Kollegin bei N24 hatte zwar keine Aussetzer, aber ihre Stimme wirkte angespannt, nervös und etwas hektisch.

An der Verdolmetschung bei ntv, tagesschau24 und Phoenix gab es inhaltlich wie stilistisch nichts auszusetzen. Es war ein Genuss, den angenehm ruhig und kompetent klingenden Stimmen der Dolmetscherinnen zuzuhören.

Puigdemont: Unabhängigkeit bleibt Ziel, aber Ausrufung wird verschoben

Die Ansprache des Präsidenten der spanischen autonomen Gemeinschaft Katalonien war mit Spannung erwartet worden. Nach dem illegalen Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens vom 01.10.2017 wollte der Präsident in ihr das weitere Vorgehen der Nationalisten ankündigen und evtl. sogar die Unabhängigkeit ausrufen.

Dazu kam es jedoch nicht. Zwar erklärte Puigdemont, am Ziel der Unabhängigkeit festhalten zu wollen. Für deren Ausrufung sei es aber zu früh. Es solle zunächst erneut der Dialog mit der spanischen Zentralregierung gesucht werden, zur Not mit Hilfe von Vermittlern.

Inés Arrimadas: „Katalonien ist unsere Heimat, Spanien unser Land, Europa unsere Zukunft“

Interessanter als die etwas dröge Rede des Präsidenten war die leidenschaftliche Entgegnung von Inés Arrimadas, der Parteisprecherin von Ciutadans (Ciudadanos), der stärksten katalonischen Oppositionspartei. Sie trat auf als Stimme der Vernunft in einem – wie es scheint – Parlament voller linker nationalistischer Spinner.

Leider wurde ihr Beitrag nur noch von Euronews übertragen. Die anderen Sender hatten sich da schon wieder ausgeklinkt. Aber zum Glück gibt es ja YouTube:

Richard Schneider