„Ce beau travail de la traduction“ – Macron will Förderung ausbauen und neuen Übersetzerpreis stiften

Macron, Merkel
Vor 2.000 Gästen eröffneten Emmanuel Macron und Angela Merkel am Vorabend des ersten Messetages die Frankfurter Buchmesse. Links von Macron ist Buchmessen-Chef Juergen Boos zu sehen.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse, deren Ehrengast dieses Jahr Frankreich ist, am 10.10.2017 eine halbstündige, begeisternde Rede gehalten, die Sie weiter unten im Wortlaut anschauen können.

Präsident stiehlt Kanzlerin die Show

Der Beitrag des großen Motivators kam beim Publikum so gut an, dass Die Welt schrieb, er habe mit seinem Pathos der eher nüchtern und nur eine Viertelstunde sprechenden Bundeskanzlerin die Show gestohlen: „In Macrons Rede kommt ziemlich viel vor, ein europäisches Urheberrecht, ein neuer Übersetzerpreis, und überhaupt jede Menge Pathos, das der Kanzlerin sichtlich abgeht.“ Und weiter:

Der weite Bogen begann bei Goethe, der seinen „Faust“ in der Übersetzung von Gérard de Nerval wie ein neues Buch gelesen habe. Dann gestand Macron, dass er, der Franzose, erst über Walter Benjamins Interpretation Baudelaire richtig verstanden habe. Und schließlich bezog er sich auf seinen intellektuellen Ziehvater, den Philosophen Paul Ricoeur, der gleich nach der Befreiung aus deutscher Gefangenschaft die erste Husserl-Übersetzung ins Französische besorgt habe – obwohl er genug Gründe gehabt hätte die Deutschen und das Deutsche zu hassen.

Durch die Sprache, die Übersetzungen und die Bücher sei der Dialog nie abgerissen zwischen den Nachbarländern, sagte Macron mit einigem Pathos, und entwickelte daraus die These, Europa bestehe nicht nur aus Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialer Gerechtigkeit, sondern: „Ohne Kultur kein Europa!“

Und während sich deutsche Spitzenpolitiker immer noch nicht eingestehen wollen, dass das Projekt der europäischen Einigung von Eurokraten wie Juncker und Schulz in die Sackgasse oder gar vor einen Abgrund manövriert wurde, konzipiert Macron bereits die Wiederbelebung der europäischen Idee und fordert die Neugründung Europas auf der Grundlage der Kulturen.

Macron: „Nous devons infiniment à nos traducteurs.“

Emmanuel Macron
Intellektualität, Belesenheit, Leidenschaft, Zukunftsvisionen – all das, was deutschen Politikern fehlt, scheint der französische Präsident zu besitzen.

Mehrere Minuten lang würdigt Macron in freier Rede auch die Leistung der heutigen Literaturübersetzer, denen man zu großem Dank verpflichtet sei. Das Übersetzen stehe am Anfang aller diplomatischen Bemühungen. Umso mehr verdanke man der Völker und Kulturen verbindenden Arbeit der Literaturübersetzer.

Die Übersetzungsförderung will er fortsetzen: „Je souhaite que nous puissions continuer à encourager ce beau travail de la traduction.“ Sie soll gar zu einem Übersetzeraustausch à la Erasmus-Programm ausgebaut werden. Darüber hinaus wolle er in Zusammenarbeit mit der deutschen Kulturstaatsministerin einen neuen Übersetzerpreis ins Leben rufen.

„Refonder l’Europe“ – Europa auf der Kenntnis von Sprachen und ihrer Übersetzung neu gründen

Die Frankfurter Neue Presse fasst den Diskurs Macrons wie folgt zusammen:

Übersetzungen machten solche Erfahrungen über alle Sprachgrenzen hinaus möglich. Mit diesem Umweg schmeichelte er nicht nur den Übersetzern und kündigte ganz nebenbei noch einen neuen Übersetzerpreis an, den er schaffen werde. Er näherte sich auf diese Weise auch einem seiner Kernanliegen: einer grundlegenden Erneuerung der europäischen Idee aus dem Geist des Austauschs. Weit mehr Franzosen als bisher sollen in jungen Jahren mindestens ein halbes Jahr im Ausland leben.

Europas Neugründung soll auf der Kenntnis von Sprachen und ihrer Übersetzung gründen. Deswegen hat Macrons Regierung im September beschlossen, bilinguale Klassen zu fördern. Deswegen unterstützt der Präsident den Ausbau der studentischen Erasmus-Austauschprogramme. Die Universitäten, sagte Macron, sollten der Ort sein, an dem man dieses neue Europa spüre.

Dolmetscher soll „ordentlich ins Schlingern“ gekommen sein

Kritik wurde von der Presse lediglich am Dolmetscher Macrons geübt. Der Journalist der Welt schreibt: „Leider bekam man bei Macrons Rede nicht alle Nuancen mit, weil sein gebuchter Live-Übersetzer ordentlich ins Schlingern kam. Warum nur lässt man einen Franzosen in die Zielsprache Deutsch übersetzen?“

Macrons Rede im Wortlaut

Nachfolgend die Rede des Präsidenten zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2017 im französischen Wortlaut. Ums Übersetzen geht es insbesondere in den Minuten 17:00 bis 20:00.

[Text: Richard Schneider. Quelle: elysee.fr; Welt, 2017-10-10; Frankfurter Neue Presse, 2017-10-11. Bild: Marc Jacquemin für Frankfurter Buchmesse (2); Video: elysee.fr.]

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