Noch Luft nach oben: Zur Live-Berichterstattung von Branchenveranstaltungen per Twitter

Tweet-Impressions bei tekom-Jahrestagung
6.000 statt 2.000 Tweet-Impressions: Während der dreitägigen tekom-Jahrestagung (rot markiert) schnellten die Zugriffszahlen in die Höhe.

Der Kurznachrichtendienst mit dem kleinen blauen Vögelchen ist ein mächtiges Werkzeug der Öffentlichkeitsarbeit. Das haben neben dem amerikanischen Präsidenten auch die Berufsverbände für Übersetzer und Dolmetscher erkannt. Immer häufiger fordern sie ausdrücklich dazu auf, von Branchenveranstaltungen zu twittern.

Verdreifachung der Tweet-Impressions bei tekom-Jahrestagung

Dass eine solche Live-Berichterstattung bei Übersetzern und Dolmetschern gut ankommt, belegt die oben dargestellte Abrufstatistik der UEPO-Tweets von der tekom-Jahrestagung in Stuttgart (24.-26.10.2017).

Während der Twitter-Kanal von UEPO.de (@uepo_de) mit seinen 800 Followern normalerweise knapp 2.000 so genannte Tweet-Impressions pro Tag verzeichnet, schnellten diese während der dreitägigen tekom-Tagung auf 4.000, 5.000 und zuletzt 6.000 in die Höhe.

UEPO-Herausgeber Richard Schneider hatte die Tagung besucht und lud pro Tag mehr als 10 Hinweise auf für Übersetzer interessante Veranstaltungen, Kernaussagen der Referenten und Fotos vom Tagungs- und Messegeschehen direkt in den Kurznachrichtendienst hoch.

tekom-Jahrestagung, Dr. Elisabeth Maier
Tweets wie dieser kommen gut an, weil sie Nicht-Teilnehmern direkte Einblicke in die Veranstaltung ermöglichen.

Bei Großveranstaltungen läuft es oft von allein

Bei Großveranstaltungen wie dem 2014 vom BDÜ ausgerichteten FIT-Weltkongress in Berlin reicht es oft, einen Hashtag festzulegen und die 1.600 Teilnehmer zum Twittern aufzufordern. Auch bei der von 450 Interessierten besuchten „Fachkonferenz Sprache und Recht“ in Hannover (14.-15.10.2017) hat das ganz gut funktioniert.

Negativ-Beispiel ADÜ-Nord-Tage

Die Veranstalter können sich allerdings nicht darauf verlassen, dass sich die Twitter-Gemeinde selbst organisiert und munter zwitschert. Bei den ADÜ-Nord-Tagen in Hamburg (18.-21.05.2017) war das Echo in den Sozialen Medien so schwach, dass einige mutmaßten, die Veranstaltung sei abgesagt worden. Vom ausrichtenden Verband kam damals nur ein einziger Tweet zum Abschluss: „Herzlichen Dank an alle, die zum Gelingen der Konferenz beigetragen haben.“

Dass der Ausrichter es versäumt hat, sich um die Sozialen Medien zu kümmern, ist schade. An den ADÜ-Nord-Tagen haben 120 Übersetzer teilgenommen. Über eine professionelle Berichterstattung auf Twitter hätte man zehnmal mehr Interessierte erreichen und gute PR für den engagierten norddeutschen Übersetzerverband machen können.

Dass die Veranstaltung auf Twitter nicht völlig unterging, lag an drei Teilnehmerinnen (Nicole König, Jessica Link, Imke Brodersen), die aus eigener Initiative einzelne Nachrichten und Bilder veröffentlichten.

Veranstalter sollten selbst twittern und nichts dem Zufall überlassen

Veranstalter, die nichts dem Zufall überlassen möchten, sollten das Bespielen der Sozialen Medien selbst in die Hand nehmen – oder jemanden damit beauftragen. Das gilt besonders für Konferenzen mit weniger als 250 Teilnehmern, bei denen die Twitterei offenbar nicht von allein in Gang kommt.

Tipps zur optimalen Veranstaltungsbegleitung auf Twitter

Wie sieht die Live-Berichterstattung per Twitter im Idealfall aus?

  1. Mit Vorabberichten Appetit anregen
    Schon in den Wochen vor dem Termin sollte mehrfach auf die Veranstaltung und ihre inhaltlichen Höhepunkte hingewiesen werden.
  2. Hashtag festlegen, Teilnehmer zum Twittern auffordern
    Damit nicht (wie bei den ADÜ-Nord-Tagen) mehrere verschiedene und viel zu lange Hashtags verwendet werden, sollte der Veranstalter mitteilen, wie der offizielle Hashtag lautet. Wer in Twitter nach diesem Schlagwort sucht, bekommt dann alle mit der Tagung zusammenhängenden Tweets aufgelistet – unabhängig davon, wer sie veröffentlicht hat.
  3. Veranstaltungshinweise vorprogrammieren
    Viele Tweets können bereits im Vorfeld erstellt und ihr Erscheinungstermin vorprogrammiert werden (Menü „Media Studio“). Dafür eignen sich zum Beispiel Hinweise wie diese:Tweet tekom-Jahrestagung Veranstaltungshinweis
  4. Kernaussagen der Vorträge mit Live-Bild der Referenten twittern
    Sehr beliebt und für alle Nicht-Teilnehmer von besonderem Wert sind Schnappschüsse der Referenten mit einer Zusammenfassung ihrer Kernaussagen.

    Tweet tekom-Jahrestagung Vollert
    Das war mit 1.050 Tweet-Impressions der erfolgreichste UEPO-Tweet von der tekom-Jahrestagung in Stuttgart.
  5. Abschlussbericht ins Netz stellen
    Innerhalb von drei Tagen nach der Veranstaltung sollte eine Zusammenfassung ins Netz gestellt werden. Diese muss noch nicht so sorgfältig ausformuliert und umfassend sein wie der später in der Mitgliederzeitschrift erscheinende Bericht.

Bildmaterial nicht optimal? Macht nichts

Die per Tweet verbreiteten Bilder werden in der Regel mit dem Mobiltelefon geschossen. Je nach Lichtverhältnissen und Entfernung kann die Qualität stark schwanken. Vieles wird zwangsläufig unscharf oder zu dunkel. Die Nachbearbeitungsmöglichkeiten am Handy beschränken sich oft darauf, den Bildausschnitt festzulegen.

Für den Druck sind diese Bilder meist nicht geeignet. Dennoch fangen sie oft gut die Atmosphäre ein. Deshalb gilt auf Twitter: Besser ein schlechtes Bild als gar keines.

Tweet tekom-Jahrestagung Daniel Brockmann
Unscharf, aber doch erkennbar: der Chefstratege von Trados beim Musizieren.

Wie ist das mit den Bildrechten?

Wer intensiv zu twittern beabsichtigt, sollte beim Veranstalter am besten vorab eine Genehmigung dafür einholen.

Darüber hinaus müsste man – formaljuristisch betrachtet – von jeder Person, die auf einem Bild zu erkennen ist, die Genehmigung für eine Veröffentlichung auf Twitter einholen. Andererseits muss jeder, der sich als Redner (und auch Zuhörer) in die Fachöffentlichkeit begibt und auf einer Tagung herumläuft, damit rechnen, fotografiert zu werden.

Es empfiehlt sich eine pragmatische Herangehensweise: Erfahrungsgemäß haben Referenten nichts dagegen einzuwenden, wenn Fotos, die auf Vorträgen geschossen werden, in den Sozialen Medien Verbreitung finden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn diese ein positives Image vermitteln.

Man sollte also darauf achten, dass die abgebildeten Personen einen seriösen Eindruck machen. Es verbietet sich von selbst, Fotos zu twittern, auf denen jemand herzhaft gähnt, sich gerade beim Mittagsessen den Mund vollstopft, im Auditorium kurz eingenickt ist oder abends auf der Party eine Bierflasche in der Hand hält.

Etwaigen Aufforderungen, ein Bild zu entfernen, sollte man umgehend nachkommen. Juristische Auseinandersetzungen über solche Kinkerlitzchen sind teuer und lohnen sich nicht.

Der nächste Schritt: Direktübertragung von Bewegtbildern

Eine Text- und Bildberichterstattung per Twitter ist für alle Veranstalter und begeisterten Twitterer technisch inzwischen problemlos möglich.

Der nächste Quantensprung wäre eine Direktübertragung von Bewegtbildern, also eine Live-Schalte wie im Fernsehen, in der zum Beispiel zumindest die Eröffnungsrede einer Konferenz für alle übertragen wird.

Es existieren bereits einfache und kostenlose Lösungen wie die 2015 von Twitter aufgekaufte App Periscope (www.pscp.tv). Bei ihr dient ein Mobiltelefon als Videokamera. Die Übertragung kann von jedermann per Mobiltelefon oder Computer verfolgt und kommentiert werden.

Auch auf der tekom-Jahrestagung 2017 wurde bereits mit Periscope experimentiert (mit wenigen Dutzend Zuschauern). Für einen breiten Einsatz scheint es jedoch noch zu früh zu sein.

[Text: Richard Schneider. Bild: Richard Schneider.]