„Baden gehen mit Thomas Cook“ lautet die Schlagzeile des Jahres 2019

Zeitungen
Bild: Michael Gaida / Pixabay

Die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook Ende September war ein Schock für tausende Urlauber – sie strandeten entweder am Urlaubsort oder standen plötzlich vor der Tatsache, dass sie gar nicht erst in Urlaub fliegen konnten. Die Insolvenz sorgte in den Medien für ein lautes Echo, das auch in der Schlagzeile mündete, die der Verein Deutsche Sprache (VDS) jetzt zur Schlagzeile des Jahres gekürt hat:

Baden gehen mit Thomas Cook – Gestrandet am Goldstrand, abgewiesen am Münchener Flughafen: Wie deutsche Urlauber die Pleite des Reiseveranstalters erleben“ – erschienen am 29. September 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

„Die Formulierung spielt gekonnt mit den freudigen Erlebnissen, die ein Urlaub normalerweise mit sich bringt, und präsentiert sich dann als Doppeldeutigkeit vor dem Hintergrund einer Insolvenz, von der plötzlich tausende Unbeteiligte betroffen sind“, erklärt der Jury-Sprecher und Vorsitzender des VDS, Prof. Walter Krämer. Die Bildhaftigkeit der Erlebnisse hat die Jury überzeugt, sie wählten diese Schlagzeile daher zur Schlagzeile des Jahres 2019.

Tiefgründigkeit durch minimale Umstellung von Worten

Auf Platz 2 landete die Schlagzeile „Leid durch Freud: Die Irrungen der Psychoanalyse“ aus der August-Ausgabe der Zeitschrift Cicero. Hier gefiel der Jury vor allem die Einfachheit, mit der ein geflügeltes Wort durch eine minimale Umstellung eine neue Tiefgründigkeit erfuhr.

Platz 3 geht an die Schlagzeile „Mautsch! – Die geplante ‚Ausländer-Maut‘ auf deutschen Autobahnen endgültig vom Europäischen Gerichtshof gestoppt: Was ihre bayerischen Erfinder dazu sagen“, erschienen am 19. Juni 2019 in der taz. Sie punktete mit einer frischen Kombination von zwei sonst für sich allein stehenden Worten.

Knappe Wahl

Die Wahl zur Schlagzeile des Jahres 2019 ging denkbar knapp aus. Die drei Schlagzeilen auf dem Siegertreppchen trennt jeweils nur ein Punkt voneinander. „Das zeigt uns, dass das sprachliche Spiel, das hinter allen drei Schlagzeilen steckt, von den Jury-Mitgliedern fast identisch als besonders gekonnt wahrgenommen worden ist“, resümiert Krämer.

Die Aktion „Schlagzeile des Jahres“ gibt es seit 2010, der erste Sieger war damals „Krieger, denk mal!“ Dieses Jahr sind bei der Jury 75 Vorschläge eingegangen. Die Jury besteht aus dem Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache, Prof. Walter Krämer, dem Tübinger Rhetorikprofessor Gert Ueding, den Journalisten und Autoren Wolf Schneider und Franz Stark, der Journalistin Dorota Wilke sowie den Sprachwissenschaftlern Horst Haider Munske und Helmut Glück.

Liste der 30 höchstbewerteten Schlagzeilen im Jahr 2019

  1. Baden gehen mit Thomas Cook – Gestrandet am Goldstrand, abgewiesen am Münchener Flughafen: Wie deutsche Urlauber die Pleite des Reiseveranstalters erlebten (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 39 Punkte)
  2. Leid durch Freud: Die Irrungen der Psychoanalyse (Cicero, 38 Punkte)
  3. Mautsch! – Die geplante Autobahnmaut endgültig vom EUGH gestoppt (taz, 37 Punkte)
  4. Ein Zwilling kommt selten allein (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 34 Punkte)
  5. Die Engel tragen jetzt Chanel – Über Karl Lagerfelds Tod (Bild, 32 Punkte)
  6. Mehr Gelände wagen – Der Jeep Wrangler (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30 Punkte)
  7. Das lügende Klassenzimmer – Digitalisierung in Schulen (Cicero, 29 Punkte)
  8. Am Ende der Kreidezeit – An den Schulen verschwinden grüne Tafeln (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 28 Punkte)
  9. Geh weg – Über das Gedrängel auf den Gehsteigen (Süddeutsche Zeitung, 27 Punkte)
  10. Geht’s noch? Über E-Roller und Mobilität in den Städten (Süddeutsche Zeitung, 26 Punkte)
  11. Lechts und Rinks an der Waldorfschule – 100ster Geburtstag der Waldorfschule (Skeptiker, 24 Punkte)
  12. Alma Pater – Neue Zahlen zeigen es, wie schwer es für Frauen ist, an deutschen Unis Karriere zu machen (Süddeutsche Zeitung, 24 Punkte)
  13. Hand im Glück – Zahl der Auszubildenden in klassischen Lehrberufen nimmt zu (Die Zeit, 21 Punkte)
  14. Harleyluja! – Eine Harley Davidson für Papst Franziskus (Augsburger Allgemeine, 21 Punkte)
  15. Ferrari vervettelt den Titel – Motorsport (Bild, 21 Punkte)
  16. Der siegende Holländer – Die Niederlande gewinnen den ESC (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 18 Punkte)
  17. Head of wichtig – Über kuriose und denglische Berufsbezeichnungen (Süddeutsche Zeitung, 18 Punkte)
  18. Paartherapie – Über die Kandidatensuche der SPD (Süddeutsche Zeitung, 18 Punkte)
  19. Tattoo-Ta-Ta – Tätowier-Verbot bei der bayerischen Polizei (Augsburger Allgemeine, 18)
  20. Geht „The Flow“ bald baden? – Am Namen für das neue Schwimmbad in Oberkasssel gibt es viel Kritik (Rheinische Post, 17 Punkte)
  21. Dürresommer: Heu-Noon im Norden – Nach dem Dürresommer ist das Futter knapp (Die Zeit, 17 Punkte)
  22. Wenn der Hund zum Vegetarier werden soll (Süddeutsche Zeitung, 16 Punkte)
  23. Äpfel mit Sonnenbrand (Süddeutsche Zeitung, 16 Punkte)
  24. Die Phil-Harmonie – Konzert von Phil Collins in Hannover (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 14 Punkte)
  25. Ein astronomischer Preis – Stephen Hawkings Rollstuhl ist versteigert worden (Mittelschwäbische Nachrichten, 13 Punkte)
  26. Der Winterschlossverkauf – Die Welfen geben die Marienburg für einen Euro ab (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13 Punkte)
  27. Uni-Chor singt Bach – Der Chor und das Orchester der Universität führen Brahms „Deutsches Requiem“ auf (Fränkischer Tag Bamberg, 13 Punkte)
  28. Die Tanztagsschule – Tanzschule Bothe eröffnet weiteres Haus an der Podbi (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13 Punkte)
  29. Der Steg ist das Ziel – Tipps für Freizeit und Reisen / Bad Buchau am Federsee (Augsburger Allgemeine, 13 Punkte)
  30. Tief auf dem roten Wagen – Bodo Ramelow kämpft um seine Wiederwahl (Süddeutsche Zeitung, 13 Punkte)

Über die VDS-Aktion „Schlagzeile des Jahres“

Die VDS-Aktion „Schlagzeile des Jahres“ gibt es seit 2010. Sie will Zeitungsmacher für zwei Eigenschaften auszeichnen. Einmal dafür, dass sie das Wesentliche eines Beitrags in wenigen Worten zusammenfassen, und zweitens für ihre kreative Nutzung des wortspielerischen Reichtums, über den die deutsche Sprache nicht weniger als andere verfügt.

Bisherige Preisträger:

  • 2018: Bild „Grün ist das neue Rot“ (14. Oktober 2018)
  • 2017: Sueddeutsche Zeitung „1:0 verloren“ (25. September 2017)
  • 2016: FOCUS „Macht. Wahn. Erdogan.“ (23. Juli 2016)
  • 2015: Süddeutsche Zeitung „Der Mann, der die Mauer niederstammelte“ (2. November 2015)
  • 2014: Frankfurter Allgemeine Zeitung u. a. „Fluchhafen Berlin“ (26. Juni 2014)
  • 2013: Bild „Yes, we scan!
  • 2012: Stern „Politik. Macht. Einsam.“ (43/2012)
  • 2011: taz „Brüderle bei Ehrlichkeit ertappt“ (25. März 2011)
  • 2010: Zeit „Krieger, denk mal!“ (4. Februar 2010)

[Text: VDS. Quelle: Pressemitteilung VDS, 2018-11.]

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