Wieder Arbeit für Comics-Übersetzer Klaus Jöken: Im Herbst erscheint „Asterix und der Greif“

Klaus Jöken, Asterix und der Greif
Der in Frankreich lebende Rheinländer Klaus Jöken übersetzt die Asterix-Bände seit 2005. - Bild: Egmont

Asterix-Übersetzer Klaus Jöken bekommt wieder Arbeit, denn derzeit ist ein neuer Band mit dem Titel Asterix und der Greif in der Mache. Aber nicht nur Jöken, sondern sechzehn weitere Übersetzer hauen eifrig in die Tasten, denn am 21. Oktober 2021 soll das Abenteuer in siebzehn Sprachen gleichzeitig erscheinen.

Gemeinsam mit dem wohl bekanntesten aller gallischen Druiden begeben sich Asterix und Obelix auf eine lange und geheimnisvolle Reise, um eine rätselhafte und furchteinflößende Kreatur aufzuspüren: den Greif. Autor Jean-Yves Ferri verrät:

Für mich hat alles mit einer Skulptur der Tarasque angefangen, einem furchterregenden Wesen aus der keltischen Mythologie. (Die Tarasque ist ein Drache, dem der Sage nach die südfranzösische Stadt Tarascon ihren Namen verdankt.) Glaubten unsere Vorfahren wirklich, dass solche bizarren Monster existieren könnten?

In der römischen Antike waren Entdecker rar gesät und die Terra war größtenteils incognita. Elefanten und Rhinozerosse, die ja ganz außergewöhnliche Tiere sind, hatte man dagegen in Rom schon gesehen. Warum also hätten die Römer nicht an die Existenz anderer, ebenso fantastisch anmutender Wesen glauben sollen? Zumal einige von ihnen (Medusa, Zentaur, Gorgone usw.) schon sehr viel früher und auf durchaus ernsthafte Weise von den alten Griechen beschrieben worden waren.

Blieb also nur noch aus dem mythologischen Bestiarium das Tier herauszusuchen, das im Mittelpunkt des Abenteuers stehen würde. Meine Wahl fiel auf den Greifen: halb Adler, halb Löwe und die Ohren eines Pferdes – ein durch und durch rätselhaftes Geschöpf.

Gläserner Übersetzer Klaus Jöken
Klaus Jöken als Gläserner Übersetzer auf der Frankfurter Buchmesse 2008 im Dialog mit dem Publikum. – Bild: Richard Schneider

Von Persien bis Pommern: Der Greif existiert seit 5000 Jahren

Hélène Bouillon
Hélène Bouillon – Bild: J. C. Moschetti

Hélène Bouillon ist promovierte Ägyptologin und Kuratorin am Louvre-Lens, dem Kunstmuseum in der nordfranzösischen Stadt Lens im Département Pas-de-Calais. Die Expertin auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Ägypten und dem Nahen Osten in der Antike arbeitet an einem Projekt über fantastische Tierwesen.

Für den Egmont-Verlag beantwortet sie Fragen zur mythologischen Figur des Greifen:

Wie sieht ein Greif aus? Wann und wo wurde dieses Wesen erstmals entdeckt?

Der Greif (englisch griffin, französisch griffon) ist ein Fabelwesen, um das sich viele Legenden ranken. Und das schon seit 5000 Jahren! Er besitzt den Körper eines Löwen, dazu Klauen, Flügel und den Schnabel eines Raubvogels.

Das älteste Abbild eines Greifen wurde im Iran entdeckt, auf einem Siegelabdruck aus Ton, der auf 3500 v. Chr. datiert wird. Weil es keine mythologischen Texte dazu gibt, kennt niemand die genaue Bedeutung dieser Darstellungen. Aber wir wissen, dass sie damals verbreitet waren, denn etwa zur gleichen Zeit wurden auch in Ägypten geflügelte Löwen mit Adlerköpfen in Prunkpaletten gemeißelt.

Pommerscher Greif
Der rote „Pommersche Greif“ als Wappen des Herzogtums und der späteren preußischen Provinz Pommern. – Bild: N3MO, gemeinfrei

Experten sind der Ansicht, dass der Greif damals die rauen Kräfte der Natur symbolisierte, denn er wird oft zusammen mit anderen wilden Tieren (Löwen, Stiere) bzw. fantastischen Wesen (halb Schlange, halb Panther) dargestellt. Beweise dafür gibt es jedoch nicht.

Im 2. Jahrtausend v. Chr. tauchten Abbildungen von Greifen in der Levante, in Anatolien und auf Zypern auf. Man findet sie vor allem auf geschnitzten Elfenbeintafeln, die einen Thron oder das königliche Bett schmückten. Der Greif ist darauf in sitzender Position, mit ausgebreiteten Flügeln und mit einer Haube geschmückt zu sehen. Etwa zur selben Zeit reiste der Greif an Bord kanaanitischer Handelsschiffe entlang der palästinensischen, syrischen und libanesischen Küste.

Später,  im 1. Jahrtausend v. Chr., war er auch bei den Phöniziern und Griechen verbreitet sowie rund um das Schwarze Meer, wo er die Waffen und Möbel der Skythen und anderer Nomadenvölker verzierte. Die Griechen glaubten, dass die Schätze des Apollon und des Dionysos von Greifen bewacht wurden. Die achämenidischen Perser schmückten mit dem Fabelwesen ihre Paläste. Auch auf Thronen und dem edlen Geschirr der Phryger und Lyder in Anatolien begegnet man ihm.

Welche Rolle spielt der Greif in der Mythologie? Was verkörpert er?

Die mit dem Greifen verbundene Symbolik veränderte sich im Lauf der Zeit. Das liegt auch daran, dass die verschiedenen Völker, die sich dieses Wesen nach und nach aneignen, aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen stammen.

Der Greif symbolisiert zum einen Stärke (Körper des Löwen), zum anderen Wachsamkeit (stechende Adleraugen) und schließlich Wildheit (Krallen und spitzer Schnabel des Raubvogels). Bei den Ägyptern ist er Sinnbild eines siegreichen Königs. Die Archäologen fanden ihn meist an Orten, die der königlichen Herrschaft zugeordnet waren, nämlich in Tempeln, die sich in unmittelbarer Nähe der Pyramiden aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. befanden. Die Pektoralien (Goldschmuck) des frühen 2. Jahrtausends v. Chr. stellen auch den König selbst als Greifen dar, der Fremde niedermetzelt.

In welcher Gestalt tritt der Greif nach der Antike in Erscheinung? Welche Rolle spielt er in der neuzeitlichen Kunst und Geschichte?

C. H. Beck, Logo
Der Greif im Logo des Verlags C. H. Beck

Interessant ist, dass der Greif immer den Kopf behält, den er auch auf der ersten, im Iran gefundenen Darstellung hat. Sein Kopfschmuck dagegen verändert sich im Lauf seiner vielen Reisen. Im 1. Jahrtausend v. Chr. war sein Kopf mit spitzen Ohren versehen, ähnlich wie die der mesopotamischen Dämonen. So wird er auch in den Bestiarien des Mittelalters dargestellt. Zu der Zeit und auch später in der Renaissance ziert der Greif etliche Wappen.

In manchen Reiseberichten, wie denen Marco Polos, ist von Greifen die Rede, die in Indien oder Äthiopien gesichtet wurden. Angeblich seien Sie stark genug, um Elefanten mit ihren Krallen in die Luft zu heben, bevor sie sie wieder fallen lassen und dann verschlingen.

All diesen Legenden gemeinsam ist, dass sie den Greifen als mächtiges und gefährliches Fabelwesen darstellen, das gleichermaßen gefürchtet und geachtet wird.

Die Statue des Greifen, die in Asterix und der Greif zu sehen ist, entspricht voll und ganz der Darstellung, wie sie bei den Griechen und den Völkern rund um das Mittelmeer im 1. Jahrtausend zu finden war: Die kleinen spitzen Ohren sind erhalten geblieben.

Asterix und der Greif
Der Egmont-Verlag gewährt als Appetithäppchen bereits einen Blick auf die erste Seite des im Herbst erscheinenden neuen Bandes.
Leipziger Buchmesse 2024