Das Gutenberg-Museum in Mainz präsentiert noch bis zum 16. Mai 2021 die kleine, feine Ausstellung „Mein Lieblingsbuchstabe ist das Q“ aus Anlass der Verleihung des Gutenberg-Preises 2020 an den renommierten Drucker und Verleger Gerhard Steidl.
Die Ausstellung wurde bereits am 10. Oktober 2020 eröffnet, war seitdem aber wegen der sich ständig ändernden behördlichen Vorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie immer wieder geschlossen und wurde deswegen schließlich um fünf Monate verlängert.
Das versale Q, in den Mittelpunkt gestellt und ganz für sich allein
In der Ausstellung geht es um Schrift und Schriftkultur am Beispiel des Großbuchstabens Q. Ihre ganze Schönheit zeigen Buchstaben noch immer am besten in gedruckten Büchern oder auf Plakaten. Hier herrscht ein Formenreichtum und eine Vielfalt, die auf elektronischen Lesegeräten mit ihren standardisierten und vorinstallierten Schriften kaum darstellbar ist.
Als Drucker und Verleger liebt Gerhard Steidl exquisite Schriften und achtet sorgfältig auf die typographische Qualität aller Druckerzeugnisse, die in seinem Verlag hergestellt werden. Und natürlich hat jemand, der sich so intensiv mit Schrift beschäftigt, auch einen Lieblingsbuchstaben. Diesem besonderen Buchstaben ist die Ausstellung gewidmet.
Das Q widersetzt sich ökonomischen Zwängen und verleitet zu lustvoller Anarchie
Viele Schriften entstanden aus ökonomischen Gründen. Auftraggeber für neue Schriftschnitte waren oft Drucker, Buch- und Zeitungsverleger. Mehr Text sollte auf Zeitungsseiten passen, Anzeigentexte in kleinem Schriftgrad noch gut lesbar sein. So wurden zum Beispiel bei der Times New Roman die Buchstaben schmaler gezeichnet, die „Minuskeln“ sind höher, die „Punzen“ größer, die „Unterlängen“ wie beim „g“ kürzer.
Vor allem häufig vorkommende breite Buchstaben, wie E, M, W, D, T und A fallen deutlich schmaler aus. Um ungefähr ein Sechstel kann ein in Times New Roman gesetzter Text kürzer sein als in der älteren Garamond.
Das „Q“ jedoch als seltener Buchstabe scheint sich allen ökonomischen Zwängen zu widersetzen, es lädt in vielen Schriften zu geradezu lustvoller Anarchie ein. Vor allem die sogenannte Cauda, der Schweif des versalen Buchstabens hat die Schriftgestalter zu unzähligen Varianten inspiriert.
Steidl – Der Lieblingsdrucker von Staeck, Grass und Lagerfeld
Gerhard Steidl legte mit 17 das Abitur ab und gründete kurz darauf, 1968, seinen eigenen Verlag. Er richtete in Göttingen eine Siebdruckwerkstatt für Druckgrafik und Plakate ein. 1970 begann die Zusammenarbeit mit dem Polit-Grafiker Klaus Staeck.
1972 erschien das erste Buch im Steidl Verlag: Befragung der documenta. 1974 wird Gerhard Steidl als Siebdruckmeister in die Handwerksrolle eingetragen. Die ersten politischen Sachbücher erscheinen. Anfang der 80-Jahre folgen Literatur, Kunst- und Fotografiebände, seit 1989 gibt es ein Taschenbuchprogramm.
1986 erscheint das erste Buch von Günter Grass im Steidl Verlag (In Kupfer, auf Stein), und seit 1993 hält Steidl die Weltrechte am Werk des Nobelpreisträgers.
1993 beginnt auch die Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld, die im Jahr 2000 zur Gründung des Imprint-Verlags Edition 7L und im Jahr 2010 zur Gründung von L.S.D. (Lagerfeld Steidl Druckerei) führt.
1996 hat Steidl sich entschieden, sein Gespür und seine Leidenschaft für Fotografie in einem eigenen Fotobuchprogramm umzusetzen – mit internationaler Zielrichtung. Der Verlag hält die Weltrechte an den Büchern und vertreibt sie in mehr als 40 Ländern. Inzwischen veröffentlicht Steidl das größte Buchprogramm zeitgenössischer Fotografie und ein ambitioniertes Literaturprogramm.
Darüber hinaus konzipiert und kuratiert Gerhard Steidl, der 2019 von Architectural Digest in die Liste der 200 most influential designers of the world aufgenommen wurde, Fotografieausstellungen weltweit, darunter „Robert Frank: Books and Films, 1947–2017”; Karl Lagerfeld, “The Little Black Jacket” (für Chanel); Karl Lagerfeld, “The Glory of Water” (für Fendi); Alessandra d’Urso, “For Friends” (für Louis Vuitton); die Retrospektive „Karl Lagerfeld. Fotografie“ in Halle.
2020 wurde Steidl der Preis für „Herausragende Leistungen für Fotografie” der Sony World Photography Awards verliehen – und nun auch der Gutenberg-Preis der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz e.V. und der Stadt Mainz.
Brigitte Specht / Gutenberg-Museum