Der Literaturübersetzerverband VdÜ fragt bei seinen Mitgliedern in regelmäßigen Abständen anonymisiert Vertragsbedingungen ab. Jetzt wurde die „Honorarumfrage Buch 2021“ veröffentlicht, die einen Überblick über Normseitenhonorare sowie Absatz- und Lizenzbeteiligungen für den Zeitraum 2019 bis 2020 gibt. Dafür wurden 1.172 Verlagsverträge ausgewertet.
Normseitenhonorare nicht gestiegen, Inflation führt zu Einkommensverlusten
Die Ergebnisse werden vom Verband selbst wie folgt zusammengefasst:
Die Normseitenhonorare für Literaturübersetzungen sind 2019/2020 erneut nicht gestiegen, die wachsende Inflation in Coronazeiten bringt den Literaturübersetzenden einen spürbaren Einkommensverlust. Mit 18,73 € liegt das Durchschnittshonorar inflationsbereinigt rund 3,50 € niedriger als vor zwanzig Jahren und hat damit seither fast 16 Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt.
Die Mindestvorgaben der Gemeinsamen Vergütungsregeln, die der VdÜ 2014 mit mehreren Verlagen abgeschlossen hat, erfüllen knapp 10 Prozent der Verträge, das sind rund 2 Prozent mehr als 2019.
Nach § 32 Urheberrechtsgesetz haben Übersetzerinnen und Übersetzer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Der Bundesgerichtshof konkretisierte diesen Anspruch in mehreren Urteilen, in denen er Mindestsätze und Mindestschwellen für eine Beteiligung an Verkaufs- und Nebenrechtserlösen festlegte. Nach wie vor jedoch werden diese Regelungen von vielen Verlagen systematisch unterlaufen. Von gemeldeten 1.126 Verträgen unterschreiten 455 (41 Prozent) die Mindestvorgaben des BGH für die Absatzbeteiligung (Hardcover-Erstausgabe), in der Taschenbuch-Zweitverwertung sind es 40 Prozent.
Jahresgewinn von 19.311 Euro entspricht der Hälfte des Durchschnittseinkommens
In der Analyse heißt es weiter:
Aufgrund der niedrigen Seitenhonorare und Beteiligungen können Übersetzerinnen und Übersetzer mit einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 19.311 Euro (Zahl: Künstlersozialkasse) nur knapp die Hälfte des bundesdeutschen Durchschnittseinkommens erwirtschaften. Damit sind sie auch im Alter akut armutsgefährdet.
Dass die Übersetzerzunft viel für ihre Sichtbarkeit tut, wirkt sich unbestritten positiv auf die Übersetzernennung aus. Die prekäre Lage der Betroffenen erfordert aber weitere Maßnahmen, etwa im Bereich der staatlichen Übersetzerförderung. Auch branchenweite Vergütungsregeln und ein Verbandsklagerecht könnten dem Trend sinkender Einkommen entgegenwirken.
VdÜ kämpft weiter für angemessene Honorare
Marieke Heimburger ist seit Juni 2021 die 1. Vorsitzende des VdÜ. Sie kommentiert:
Die große Vielfalt der Weltliteratur erschließt sich der deutschen Leserschaft durch Übersetzungen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft und der Buchbranche. Leider wird die Arbeit der Übersetzerinnen und Übersetzer nicht angemessen entlohnt.
Wie die neuste VdÜ-Honorarumfrage zeigt, sind die Normseitenhonorare in den letzten beiden Jahren im Schnitt um gerade einmal 1 Cent auf 18,73 Euro gestiegen. Angesichts der hohen Inflationsrate ist das besonders bitter. Seit 2001 hat das durchschnittliche Seitenhonorar fast 16 Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt.
Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, die schwache Verhandlungsposition der Übersetzerinnen und Übersetzer gegenüber den Verlagen zu stärken. Ein Verbandsklagerecht, branchenweite Vergütungsregeln und eine staatliche Übersetzungsförderung, die auch den Übersetzenden zugutekommt, könnten die prekäre Lage der Zunft verbessern und stehen daher weiterhin auf der Agenda des VdÜ.
Die vollständige Auswertung der Honorarumfrage zu Buchübersetzungen hat der VdÜ auf elf Seiten zusammengestellt und mit zahlreichen Tabellen und Diagrammen versehen.
Weiterführende Links
- Honorarumfrage Buch 2021 – Verlagsverträge 2019 und 2020 (PDF, 11 Seiten)
- Definition Normseite für Literaturübersetzer
rs