Fünfzehn Jahre alte „Bibel in gerechter Sprache“ soll neu übersetzt werden

Bibel in gerechter Sprache
Bild: Bibel in gerechter Sprache, UEPO

Erst fünfzehn Jahre ist die Bibel-Übersetzung „in gerechter Sprache“ alt. Jetzt teilte der herausgebende private Verein Bibel in gerechter Sprache mit, dass die Planung für eine Neuübersetzung anläuft. Dazu soll eine Fundraising-Kampagne gestartet werden. Wie schon die Ausgabe von 2006 soll auch die Neuübersetzung ausschließlich durch Spenden finanziert werden.

Claudia Janssen, Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel begründet gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Neuübersetzung damit, dass jede Generation sich die Bibel neu aneignen und das Verständnis des Textes in eigene Sprache fassen müsse.

In den Debatten der letzten Jahre um Geschlechtergerechtigkeit und Postkolonialismus seien neue Fragestellungen entstanden. Das Wort „Mission“ etwa entstamme dem Kolonialismus der europäischen Neuzeit und müsse überdacht werden. Darüber hinaus könne sie sich vorstellen, dass bei der Überarbeitung auch über Sonderzeichen wie das Gendersternchen diskutiert werde.

Bei der früheren Ausgabe hatten 52 Theologinnen und Theologen fünf Jahre benötigt, um die Bibel neu zu übersetzen.

Gott ist alles Mögliche, nur nicht „der Herr“

Das auffälligste Merkmal der Bibel in gerechter Sprache ist, dass Gott nicht wie im griechischen Urtext als „Herr“ bezeichnet wird. Stattdessen finden sich vielfältige Anreden beiderlei Geschlechts: der Ewige, die Ewige, Schechina, Adonaj, ha-Schem, der Name, Gott, die Lebendige, der Lebendige, Ich-bin-da, ha-Makom, Du, Er Sie, Sie Er, die Eine, der Eine, die Heilige, der Heilige.

Grundsätzlich strebt die Übersetzung eine gleich vierfache Gerechtigkeit an:

  • Geschlechtergerechtigkeit
  • Gerechtigkeit im Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog
  • Soziale Gerechtigkeit
  • Gerechtigkeit gegenüber dem Ausgangstext

„Es ist hermeneutisch abwegig, so zu übersetzen“

Bibel in gerechter Sprache? Kritik eines misslungenen Versuchs heißt ein von Prof. Dr. Ingolf U. Dalferth herausgegebener Sammelband, in dem schon 2007 führende Theologen eine Politisierung der Bibelübersetzung abgelehnt hatten.

Dalferth erklärte 2006 in einem Zeitungsartikel, eine Übersetzung könne nicht gleichzeitig „geschlechtergerecht“, „gerecht im Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog“ und „sozial gerecht“ sein sowie „dem Ausgangstext gerecht werden“:

So löblich diese Ziele je für sich sein mögen, sie schliessen sich gegenseitig aus, wenn man die biblischen Texte als Zeugnisse einer anderen Zeit und Kultur ernst nimmt. Vor allem aber sind sie keine philologisch brauchbaren Übersetzungsprinzipien. Kein Text der Bibel wurde in der Absicht verfasst, geschlechtergerecht, antidiskriminatorisch und frei von Antijudaismus zu sein.

Auf Anfrage des epd erneuert Dalferth heute seine Kritik: „Meine Überzeugung hat sich nicht geändert, sondern verstärkt. Es ist hermeneutisch abwegig, so zu übersetzen.“

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich damals von der Übersetzung distanziert: Es würden „vorgefasste Meinungen in den Text hineingetragen“. Diese Bedenken bestünden nach wie vor, so Vizepräsident Thies Gundlach gegenüber dem epd.

Bisher 100.000 Exemplare gedruckt

Ein Kassenschlager ist die Bibel in gerechter Sprache nicht, aber sie hat ihre Liebhaber. Die Marburger Neutestamentlerin Angela Standhartinger gehört zu den Übersetzerinnen. Sie weist darauf hin, dass die Ausgabe inzwischen in vielen Gemeinden für die Schriftlesung im Gottesdienst, in Bibelstunden oder im Unterricht verwendet werde.

Innerhalb von 15 Jahren sind nach Angaben von Prof. Dr. Claudia Janssen insgesamt 100.000 Bücher gedruckt worden. Man verkaufe pro Quartal einige Hundert. Eine auf den ersten Blick beeindruckende Zahl, die aber im Vergleich zu anderen Bibelausgaben verblasst. Alleine von der Lutherbibel verbreitet die Deutsche Bibelgesellschaft Jahr für Jahr mehr als 100.000 Exemplare, in dem Zeitraum von 15 Jahren also gut 1,5 Millionen.

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