„Das Kapital“ von Karl Marx erscheint auf Swahili – Förderung durch Rosa-Luxemburg-Stiftung

Das Kapital, Karl Marx
Der 1867 erschienene Band „Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie“ gehört zu den Hauptwerken von Karl Marx. Friedrich Engels stellte nach Marx' Tod (1883) aus dessen Manuskripten zwei weitere Bände zusammen, die 1885 und 1894 erschienen. - Bild: Hermann Traub / Pixabay

Das Kapital von Karl Marx wird bald erstmals auf Swahili erscheinen, der in Ostafrika mit rund 80 Millionen Sprechern am weitesten verbreiteten Verkehrssprache.

Die Übersetzung sowie eine Einführung in die Werke von Marx stammen von dem emeritierten Soziologie-Professor Joachim Mwami, der an Universitäten in Tansania und Nigeria gelehrt hat.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung fördert das Lektorat sowie Satz und Druck.

Relaisübersetzung aus dem Englischen

Grundlage der Swahili-Übersetzung ist nicht die originale deutsche, sondern eine englische Ausgabe, vermutlich die noch von Friedrich Engels herausgegebene Fassung Capital – A Critique of Political Economy.

Joachim Mwami beschäftigte sich bereits in den 1970er Jahren mit den Schriften von Marx. Im Lauf der 1980er Jahre reifte bei ihm und akademischen Kollegen die Idee, wesentliche marxistische Schriften in Swahili zu übersetzen. Denn die marxistische Grundlagenliteratur war nicht in den Landessprachen, sondern allenfalls auf Englisch verfügbar.

Diese Pläne ließen sich in den Folgejahren jedoch nie in die Tat umsetzen. Erst im Ruhestand fand Mwami die Zeit, das Projekt in Angriff zu nehmen.

Übersetzungsgeschichte von Das Kapital

Zur Übersetzungsgeschichte von Marx‘ Kapital heißt es auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung:

Nach der deutschen Erstveröffentlichung im Jahr 1867 erschienen 1872 eine russische Übersetzung und 1875 eine stark überarbeitete französische Ausgabe. Vier Jahre nach dem Tod des Autors erschien 1887 eine englische Übersetzung, herausgegeben von Marx‘ langjährigem politischen und intellektuellen Weggefährten Friedrich Engels. […] Das Kapital wurde in Dutzende weitere Sprachen übersetzt.

Komplexe Terminologie schwierig zu übersetzen

Loren Balhorn, leitender Redakteur der Website rosalux.org, hat mit Mwami über die Arbeiten zur Übersetzung gesprochen:

Es klingt so, als hätten Sie in den letzten Jahrzehnten eine ganze Menge Zeit und Energie in dieses Projekt gesteckt. Ist Ihnen die Aufgabe leicht gefallen?

Mir ist die Arbeit recht schwer gefallen, weil ich sie alleine erledigen musste. Bei vielen englischen Begriffen ist es besonders schwierig, das richtige Wort in Kiswahili zu finden, weil der englische Wortschatz vergleichsweise groß und nuanciert ist.

Könnten Sie mir ein Beispiel für einen schwer zu übersetzenden Begriff nennen?

Der zentrale Begriff der „Ware“ wurde zum Beispiel als bidhaa übersetzt. Das ist kein Problem. Es gibt aber zwei Eigenschaften von Waren: den Gebrauchswert und den Tauschwert. Wert kann ohne Weiteres als thamani übersetzt werden. Aber Gebrauchswert? Ich verwende den Ausdruck thamani mafao. Für den Tauschwert steht dann thamani mauzo. Ob das für Kiswahili-Sprechende aber leicht verständlich ist, kann ich nicht einschätzen.

Auch andere bekannte Konzepte bereiten Schwierigkeiten, etwa die Entstehung des Geldes. Marx hat die Entstehung des Geldes hervorgehoben und dabei eine bestimmte Terminologie verwendet. Zum Beispiel die verschiedenen Wertformen. Wenn ich das ins Kiswahili übersetze, bin ich mir nie so recht sicher, ob meine Übersetzung stimmt. Ich kann schließlich nicht im deutschen Original nachschauen, aber das ist gar nicht das Problem. Das Problem ist eher: Können die Wörter des Kiswahili die Bedeutung der englischen Fassung korrekt wiedergeben? […]

Sie haben das erste Buch des Kapitals übersetzt. Gibt es Pläne für die anderen beiden Bände?

Bevor ich sterbe, will ich zumindest noch Band zwei übersetzen. Aktuell arbeite ich an Kapitel 12 und habe schon 250 Seiten geschafft. Danach werde ich Band drei übersetzen. Dann kann ich glücklich sterben. Das ist im Grunde mein Plan.

Auch Mwami ist klar: die große Zeit des Marxismus ist vorbei

Auf die Frage, ob der Marxismus an den Universitäten immer noch populär sei, antwortet Mwami: „Nein, das ist vorbei.“ Es gebe nur noch wenige marxistische Dozenten. Auch die Studenten wollten heute nicht mehr über den Marxismus diskutieren. Manche hätten auch Angst, sich entsprechend zu positionieren, weil sie dann eventuell kein Stipendium erhielten.

Der These, der klassische Marxismus sei eurozentristisch und könne zur Analyse der sozialen und ökonomischen Entwicklungen in Afrika und anderen Teilen der Welt nichts beitragen, kann Mwami jedoch nicht zustimmen. Afrika sei ein Produkt des Kolonialismus, Kolonialismus ein Produkt des Kapitalismus. Man könne die aktuellen afrikanischen Verhältnisse nur verstehen, wenn man den Kapitalismus und seine Verankerung in diesen Verhältnissen begreife. Dies wiederum sei nur durch den Marxismus möglich.

Swahili ist meistgesprochenen Bantusprache

Swahili (Eigenbezeichnung Kiswahili), historisch auch Suaheli oder Kisuaheli, ist die am weitesten verbreitete Verkehrssprache in Ostafrika. Sie wird in Tansania, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo, Uganda, Burundi, Ruanda, Mosambik, Somalia und dem Oman gesprochen.

Zwar wachsen nur 5 bis 10 Millionen Menschen mit Swahili als Muttersprache auf, als Verkehrssprache kommt ihr mit mehr als 80 Millionen Sprechern aber eine überragende Bedeutung zu.

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Richard Schneider