Internationaler Comic-Salon Erlangen: Auch Übersetzungen werden thematisiert

Internationaler Comic-Salon Erlangen
Bild: CSE

Alle zwei Jahre findet mit dem Internationalen Comic-Salon in Erlangen das größte und bedeutendste Festival für Comic-Kunst und grafische Literatur im deutschsprachigen Raum statt.

Nach der letzten Präsenzveranstaltung 2018 musste der Salon 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Als Ersatz wurden einige Online-Formate aufgelegt. Vom 16. bis 19. Juni 2022 kann die Comic-Szene nun endlich ein Wiedersehen mit dem Publikum feiern. Erwartet werden wie vor Corona rund 25.000 Besucher. Auf Twitter und Instagram wird unter dem Hashtag #CSE22 darüber berichtet.

Internationaler Comic-Salon Erlangen 2022
Schon am ersten Tag herrschte bei bestem Sommerwetter der gewohnte Andrang – wie hier vor Halle A auf dem Schlossplatz. – Bild: Kulturamt Erlangen

Erstmals Veranstaltungen zur Comic-Übersetzung

Comic-Übersetzer waren – schon aus Eigeninteresse – auf dem Comic-Salon immer präsent und fungierten gelegentlich als Dolmetscher für ihre Autoren und sonstige ausländische Gäste. Auf der zwanzigsten Ausgabe des Comic-Salons wird es aber – offenbar zum ersten Mal – fünf Einzelveranstaltungen geben, die sich speziell mit der Comic-Übersetzung befassen. Sie wurden in Kooperation mit dem Literaturübersetzerverband VdÜ und mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Übersetzerfonds organisiert.

(1) Comic-Übersetzung: In the Mood for Manga

Gespräch mit Nora Bierich und Verena Maser, Moderation: Lilian Pithan.

Manga machten 2021 den Großteil der Neuveröffentlichungen auf dem deutschsprachigen Comic-Markt aus. Die meisten Bücher sind dabei Übersetzungen aus dem Japanischen. Wie komplex die Übertragung in die deutsche Sprache ist, zeigt ein Blick hinter die Kulissen. Nora Bierich und Verena Maser diskutieren ihre Arbeit an den Werken so bekannter Mangaka wie Shigeru Mizuki, Yoshiharu Tsuge, Mizuho Kusanagi und Haruko Ichikawa.

(2) Comic-Übersetzung: Manga-Special

Workshop mit Verena Maser.

Wie passt der deutsche Text in die Sprechblase? Welche Namen werden übersetzt? Und was tun mit den ganzen Soundwords? Die Übersetzung von Manga hat ihre ganz eigenen Tücken. Im Workshop werden anhand von Beispielen die wichtigsten Aspekte einer gelungenen Übertragung diskutiert. Anschließend wird im Team eine eigene Übersetzung erarbeitet. Japanischkenntnisse sind nicht erforderlich. Es wird mit Rohübersetzungen ins Deutsche gearbeitet.

(3) Comic-Übersetzung: Deutsch-französische Puzzlespiele

Lilian Pithan im Gespräch mit Ulrich Pröfrock.

Manu Larcenet, Catherine Meurisse, Lewis Trondheim, Émile Bravo: Ulrich Pröfrock hat die Großen des französischen Comics übersetzt. Seit den 1990er-Jahren widmet er sich der Suche nach dem „mot juste“, denn diese Arbeit ist eine Kunst für sich. Mal ist die Blase zu klein, mal der Wortwitz zu gewaltig. Immer gilt es umzubauen, anzupassen, neu zu dichten. Pröfrock ist ein Meister des Spiels mit Wort und Bild. Im Gespräch umreißt er die vielen Facetten der Comic-Übersetzung.

(4) Comic-Übersetzung: Wie geht das?

Workshop mit Myriam Alfano.

95 % der Comics, die auf Deutsch erscheinen, werden aus anderen Sprachen übersetzt. In diesem Workshop bekommt ihr Einblick in die besonderen Herausforderungen des Genres. Wie wirkt gesprochene Sprache möglichst lebendig? Was macht man mit den Sounds? Und wie kriegt man die Übersetzung in den Sprechblasen unter? Nach einem kurzen Überblick kann sich jeder praktisch ausprobieren, eigene Lösungen erarbeiten und in der Gruppe diskutieren. Besondere Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich!

(5) Comic-Übersetzung: Sandokan in Deutschland

Gespräch mit Paolo Bacilieri und seiner Übersetzerin Myriam Alfano, Moderation: Lilian Pithan.

Er wird gern als der „italienische Karl May“ bezeichnet: Emilio Salgari schrieb Abenteuerromane, ohne die Welt bereist zu haben, und regte die Fantasie der Leser an. Sandokan, der Tiger von Masilia, ist seine bekannteste Kunstfigur. Mit dem Comic „Sweet Salgari“ hat Paolo Bacilieri ihm ein Denkmal gesetzt. Im Gespräch mit seiner Übersetzerin Myriam Alfano diskutiert er die Entstehung des vielschichtigen Buchs und dessen Übertragung ins Deutsche.

Vorbilder*innen
Politisch korrekte „Vorbilder*innen“ für die Frau von heute. – Bild: Helena Janečić

Feministinnen präsentieren „Vorbilder*innen“

„Nie zuvor war der Internationale Comic-Salon so weiblich, so divers und so interkulturell wie in diesem Jahr. Feministischen Comics sind wichtige Ausstellungen gewidmet, queere Themen spielen eine zentrale Rolle“, heißt es im Programm.

Ausdruck dafür ist unter anderem eine Ausstellung mit dem Titel „Vorbilder*innen – Feminismus in Comic und Illustration“. Darin werden 30 politisch korrekte Künstler*innen vorgestellt, die „der feministischen Forderung nach differenzierten weiblichen Figuren nachkommen“.

Will Eisner
Will Eisner wird als „Vater der Graphic Novel“ in einer großen historischen Schau mit zahlreichen eindrucksvollen Originalen gewürdigt. – Bild: Will Eisner Studio Inc.

Das Institut français präsentiert: Kubuni – Comics aus Afrika

Die Ausstellung widmet sich anhand dreier Schwerpunkte der Entdeckung von Comics aus Schwarzafrika in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gezeigt werden Comics, die durch alte Bild- und Erzähltraditionen, aber auch durch jüngere, oft ausländische Kulturen beeinflusst sind und die sowohl in der westlichen Welt als auch auf dem afrikanischen Kontinent in Albumform, in Zeitungen oder sogar als Smartphone-Apps konzipiert wurden und Verbreitung fanden.

Kann man angesichts der Tatsache, dass Comics vom afrikanischen Kontinent die Früchte eines jeweils sehr unterschiedlichen historischen und kulturellen Erbes sind, überhaupt von „dem afrikanischen Comic“ sprechen?

Lucky Luke sattelt um, Zarter Schmelz
Mawil und Ralf König präsentieren in einer gemeinsamen Lesung ihre sehr unterschiedlichen Lucky-Luke-Hommagen. – Bild: Egmont

Reprodukt präsentiert große Mawil-Werkschau

1991, zwei Jahre nach dem Mauerfall, legt ein comicbegeisterter Ostberliner Schüler seine ersten Comicseiten auf den Kopierer der Evangelischen Kirchengemeinde, greift zum Tacker und verteilt anschließend seine DIY-Comichefte. Heute, 30 Jahre später, zählt Markus „Mawil“ Witzel zu den profiliertesten und umtriebigsten Comic-Zeichnern der deutschen Szene. Die Ausstellung zeigt Originalzeichnungen, Objekte, Skizzen, Veröffentlichtes und Verworfenes, Erinnerungsstücke und andere Arbeiten aus drei Jahrzehnten seines Schaffens.

Zwei ComicTalks mit Hella von Sinnen

Hella von Sinnen, die mit „Asterix kütt nohm Kommiss“ selbst Übersetzungserfahrung besitzt, wird zwei Diskussionsrunden moderieren.

Naoki Urosawa
Max-und-Moritz-Preisträger Naoki Urosawa und eine Seite aus seinem Band „Asadora“. – Bild: Shogakukan, Carlsen

Verleihung der Max-und-Moritz-Preise

Der Max-und-Moritz-Preis ist die bedeutendste Auszeichnung für grafische Literatur und Comic-Kunst im deutschen Sprachraum. Er wird durch eine von der Stadt Erlangen berufene unabhängige Fachjury alle zwei Jahre im Rahmen des Internationalen Comic-Salons vergeben und trägt seit über 30 Jahren wesentlich zur künstlerischen und gesellschaftlichen Anerkennung des Comics bei.

Mit dem Preis soll die Arbeit herausragender Künstler gewürdigt, verdienstvolle Verlagsarbeit bestärkt, auf Nachwuchstalente aufmerksam gemacht und die qualitative Auseinandersetzung über grafische Literatur gefördert werden.

Mit Naoki Urasawa wird 2022 einer der einflussreichsten lebenden Manga-Künstler für sein herausragendes Lebenswerk ausgezeichnet. Für Preise in den Kategorien „Bester deutschsprachiger Comic“, „Bester internationaler Comic“, „Bester Sach-Comic“, „Bester Comic für Kinder und Jugendliche“ und „Publikumspreis“ wurden 25 Titel durch die Jury und drei weitere durch das Publikum nominiert.

Mit besonderer Spannung werden traditionell die Preise in den Kategorien „Bester deutschsprachiger Comic-Künstler“ (Dotierung: 7.500 Euro) und „Bestes Debüt/Beste studentische Comic-Publikation“ (Dotierung: 1.000 Euro) erwartet. Die Preisverleihung im Erlanger Markgrafentheater durch den Erlanger Oberbürgermeister, moderiert von Hella von Sinnen und Christian Gasser, gilt als einer der Höhepunkte des Salons.

Comic-Film-Fest

Vier Tage bieten die Erlanger Kinos Lamm-Lichtspiele, Kulturzentrum E-Werk und das Open-Air-Kino im Innenhof des Stadtmuseums ein abwechslungsreiches Programm mit Animationsfilmen, Comic-Verfilmungen und Dokumentationen.

Die ganze Stadt im Comic-Fieber

Der Comic-Salon Erlangen ist – ebenso wie etwa die VdÜ-Jahrestagung „Wolfenbütteler Gespräch“ – ein gutes Beispiel dafür, dass manche Veranstaltungen in kleineren Städten besser aufgehoben sind als in den Metropolen. Der Salon dominiert die Stadt Erlangen für gut eine Woche und wird von ihr nach Kräften unterstützt. Dieselbe Veranstaltung in Berlin würde hingegen überhaupt nicht auffallen.

Das Herz des Internationalen Comic-Salons schlägt auf der Messe, die in diesem Jahr zum zweiten Mal in Messezelthallen auf dem Erlanger Schlossplatz und im Schlossgarten stattfinden wird. Über 200 Aussteller – von den führenden Verlagen über die Hochschulen bis zu Künstlern, die im Selbstverlag veröffentlichen – präsentieren ihr Programm. Zahlreiche Neuerscheinungen werden erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und rund 400 Künstler aus aller Welt zeichnen live und signieren ihre Bücher.

Dreiundzwanzig Ausstellungen in Museen, Galerien und zahlreichen temporär genutzten Ladengeschäften entlang der Erlanger Hauptstraße verwandeln die ganze Erlanger Altstadt für vier Tage in ein Comic-Museum auf Zeit.

rs