Spanien hat am 17. August 2023 in einem Schreiben an den Rat der Europäischen Union (Ministerrat) beantragt, die Regionalsprachen Katalanisch, Baskisch und Galicisch in das Sprachenregime der EU aufzunehmen. In letzter Konsequenz könnten sie damit auch zu Amtssprachen werden. Der Vorschlag soll bereits am 19. September 2023 auf der nächsten Sitzung des Rates behandelt werden:
Gobierno de España
Ministerio de Asuntos Exteriores, Unión Europea y Cooperación
Para: Presidencia del Consejo de la Unión Europea
Madrid, 17 de agosto 2023
Por la presente se da traslado de la decisión del Gobierno de España de solicitar al Consejo la incluson del catalán, euskara y gallego, lenguas españolas distintas des castellano que gozan de estatuto oficial en España, en el régimen lingüistico de la Unión Europea, mediante la modificación del Reglamento N° 1 (DO 17 de 6.10.1958, p. 385) que regula el mancionado régimen lingüistico, de conformidad con el artículo 342 des Tratado de Funcionamento de la Unión Europea, sin perjuicio de las disposiciones previstas en el Estatuto del Tribunal de Justicia de la Unión Europea.
Se agradeceria el inicio de los procedimientos de modificación previstos en el Consejo, así como la inclusión del asunto en el orden del día del próximo Consejo de Asuntos Generales de 19 de septiembre de 2023.
Igualmente, se ruega la remisión puntual sobre la evolución del asunto.
Atentamente,
José Manuel Albares Bueno
Ministro de Asuntos Exteriores, Unión Europea y Cooperación
Kein Sinneswandel, sondern innenpolitisches Kalkül
Spanien hat am 1. Juli 2023 turnusmäßig für ein halbes Jahr und bereits zum fünften Mal den Vorsitz des EU-Rates übernommen und mit dem Sprachenantrag nun einen ersten Paukenschlag gesetzt. Bislang galt die Devise „ein Land, eine Sprache“. Wie lässt sich der Sinneswandel zu „ein Land, vier Sprachen“ erklären?
Die spanischen Parlamentswahlen im Juli 2023 haben zu keinen klaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Um im Amt bleiben zu können, wirbt der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez von der sozialistischen Partei PSOE derzeit intensiv um die Stimmen der separatistischen Kleinstparteien im Parlament. Dafür muss er ihnen aber Zugeständnisse machen.
Miriam Nogueras von der Regionalparte Junts per Catalunya erklärte frank und frei: „Wir werden Pedro Sánchez nicht zum Ministerpräsidenten machen, wenn wir dafür nichts bekommen. Unsere Priorität ist Katalonien, nicht die Regierbarkeit des spanischen Staates.“
Erster Kuhhandel bei Wahl der Parlamentspräsidentin Armengol
Einen Kuhhandel mit den Nationalisten in den Regionen hatte es bereits bei der Wahl der neuen Parlamentspräsidentin Francina Armengol von den Sozialisten gegeben. Sie konnte nur mit den Stimmen der Separatisten ins Amt gehievt werden.
Anschließend verkündete sie, dass von nun an auch Regionalsprachen wie Katalanisch, Baskisch und Galicisch im Parlament gesprochen werden dürfen. Armengol war zuvor acht Jahre Regionalpräsidentin der Balearen, auf denen die katalanische Sprache weit verbreitet ist.
Antrag auf drei weitere Amtssprachen hat keine Chance im Rat
Dass der Antrag in Brüssel entweder umgehend zurückgewiesen oder – was wahrscheinlicher ist – erst einmal EU-typisch auf die lange Bank geschoben und dann Jahre später in der Versenkung verschwinden wird, wissen auch die Sprachaktivisten in Katalonien, dem Baskenland und Galicien.
Ihnen ist es aber wichtig, auf diese Weise ihre Ansprüche auch auf internationaler Ebene anzumelden und auf Ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
Katalanisch, Baskisch und Galicisch schon lange Amtssprachen in Spanien
Katalanisch, Baskisch und Galicisch sind bereits Amtssprachen in Spanien. Laut der Volkszählung von 2021 sprechen 2,1 Mio. Spanier Katalanisch, 1 Mio. Galicisch und 350.000 Baskisch als Muttersprache, die allerdings alle auch Spanisch sprechen. Die Regionen genießen weitgehende Autonomierechte.
Vorbild Irisch/Gälisch
Die spanischen Sprach-Aktivisten orientieren sich am Erfolg des Irischen (Gälischen) in der EU, einer Sprache, die von noch weniger Menschen gesprochen wird als das Galicische. Nur rund 100.000 der 4,9 Millionen Iren sind in der Lage, sich auf „Gaeilge“ auszudrücken.
Trotzdem ist Irisch seit 2022 eine Arbeitssprache der Europäischen Union, für die Unmengen von Übersetzungen angefertigt werden müssen, die niemand braucht und niemand liest.
- 2022-01-01: Irisch jetzt Arbeitssprache in EU – zuvor ab 2007 Amtssprache, davor nur Vertragssprache
Richard Schneider