Jobcenter der Agenturen für Arbeit halten Dolmetscher für unverzichtbar

Agentur für Arbeit
Seit 2004 heißen die Arbeitsämter "Agentur für Arbeit" und deren Vermittlungsstellen "Jobcenter". - Bild: Andreas160578 / Pixabay

Fast alle Jobcenter schreiben den Diensten von Dolmetschern eine hohe Bedeutung in der Kommunikation mit Flüchtlingen zu. Gleichzeitig geben 85 Prozent der Jobcenter an, dass mindestens ein Mitarbeiter neben Deutsch noch eine oder mehrere Sprachen spricht, die auch Muttersprache von vielen Geflüchteten ist.

Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, das eine „besondere Dienststelle“ der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg ist.

Nahezu alle Jobcenter greifen demnach bei der Beratung von Flüchtlingen auf Dritte als Dolmetscher zurück. Dies können Ehrenamtliche, Privatpersonen oder professionelle Dolmetscher sein, die vor Ort oder telefonisch dolmetschen.

IAB-Studie
Einschätzungen der Jobcenter zur Kommunikation mit Flüchtlingen: „eher schwierig“ bis „sehr schwierig“. – Bild: IAB

Dabei ist das Dolmetschen durch Personen, die dies privat oder ehrenamtlich tun, wie etwa Verwandte oder Bekannte, nicht immer unproblematisch, wie Franziska Schreyer von der IAB erkläutert:

Auch wenn diese Variante oft einfach und naheliegend erscheint, können gerade die Übersetzung von komplexen rechtlichen und institutionellen Informationen oder die Thematisierung von sensiblen Aspekten wie Schulden oder psychischen Erkrankungen problematisch sein.

Die Bundesagentur für Arbeit empfiehlt und fördert den Einsatz professioneller Dolmetscherdienste. Wobei aber ein Drittel der Jobcenter nach eigenen Angaben keinen ausreichenden Zugang zu Dolmetschern für wichtige Sprachen hat.

Nur knapp jedes fünfte befragte Jobcenter erachtet die Kommunikation mit Flüchtlingen als eher oder sehr einfach. „Es fällt auf, dass dies häufig Jobcenter mit mindestens einem auf die Betreuung von Geflüchteten spezialisierten Team sind“, sagt Christopher Osiander von der IAB. In der Beratung kommen auch sogenannte Brückensprachen wie Englisch, Französisch oder Türkisch zum Einsatz.

IAB-Studie
Einschätzung der Jobcenter zum Umgang mit sprachlicher Diversität bei Flüchtlingen. – Bild: IAB

Die Studie basiert auf Daten aus dem IAB-Projekt „Jobcenter und psychische Gesundheit von Menschen mit Fluchterfahrung (PsyF)“. Hierfür wurden im ersten Quartal 2023 256 Jobcenter mit einer standardisierten Umfrage online befragt.

IAB-Studie
Einschätzung der Jobcenter zur Hilfe durch Dritte bei der Kommunikation über psychische Probleme mit von Flüchtlingen. – Bild: IAB

Die Studie kommt zu folgendem Fazit:

Auch wenn die Amtssprache in Sozialverwaltungsverfahren formell Deutsch ist: Viele Jobcenter stellen sich den Herausforderungen einer sprachlich diversen Einwanderungsgesellschaft. Dies geht aus einer Online-Befragung von Jobcentern zur Betreuung von Menschen mit Fluchterfahrung hervor. So ist die Mitarbeiterschaft mitunter selbst sprachlich divers, setzt teils Brückensprachen wie Englisch, Französisch oder Türkisch ein oder nutzt vielfach professionelle Dolmetscherdienste. Gleichzeitig gibt aber jedes dritte Jobcenter an, keinen ausreichenden Zugang zu Dolmetscher*innen für die wichtigsten Sprachen Geflüchteter zu haben.

Auch bei der weiteren Qualitätssicherung von professionellen Dolmetscherdiensten besteht Handlungsbedarf: Angesichts eines rechtlich komplexen Kontexts in einem vielleicht noch unvertrauten Zufluchtsland gehen diese Dienste über eine reine Übersetzungstätigkeit hinaus und können sehr herausfordernd sein. Es geht um „more than words“, wie Clara Holzinger und Anna-Katharina Draxl ihre aktuelle Studie überschrieben haben.

Gerade die Übersetzung von komplexen rechtlichen und institutionellen Informationen oder die Thematisierung von sensiblen Aspekten wie Schulden oder psychischen Erkrankungen können problematisch sein. Risiken birgt hier insbesondere die Übersetzung durch Personen, die dies privat oder ehrenamtlich tun, etwa Verwandte oder Bekannte, auch wenn diese Variante oft einfach und naheliegend erscheint. Die BA empfiehlt und fördert den Einsatz professioneller Dolmetscherdienstleistungen, weist aber auch auf Engpässe bei diesen Leistungen hin.

Mit den hier präsentierten Befunden ist die Frage, wie sich Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag mit Geflüchteten konkret verständigen und welche Schwierigkeiten insbesondere bei der Thematisierung von psychischen Belastungen auftreten, noch nicht abschließend beantwortet. Näheren Aufschluss sollen die im Projekt noch laufenden qualitativen Erhebungen in ausgewählten Jobcentern sowie in Gesundheits- und Beratungseinrichtungen geben.

Weiterführender Link

  • Die vollständige Studie ist im IAB-Forum abrufbar

red