Hesse-Preis 2024 für Sofia Andruchowytsch sowie Übersetzer Kratochvil und Weissenböck

Sofia Andruchowytsch
Sofia Andruchowytsch - Bild: Valentyn Kuzan

Die ukrainische Schriftstellerin Sofia Andruchowytsch (Софія Юріївна Андрухович) und ihre Übersetzer Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck erhalten den „Internationalen Hermann-Hesse-Preis“ 2024. Dies gab der Vorstand der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung bekannt. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und geht je zur Hälfte an die Autorin und ihre Übersetzer.

Gewürdigt wird mit dem Hesse-Preis „eine schriftstellerische Leistung von internationalem Rang in Verbindung mit ihrer Übersetzung“, wie es im Statut heißt. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen und soll einem literarischen Werk Anerkennung und Aufmerksamkeit verleihen, das dieses nach Auffassung der Jury verdient, aber noch nicht in entsprechender Weise erfahren hat.

Der Preis wird am 2. Juli 2024, dem Geburtstag Hermann Hesses, in dessen Geburtsstadt Calw (Schwarzwald) verliehen.

Die Geschichte von Romana, Die Geschichte von Uljana
Die beiden von Kratochvil und Weissenböck gemeinsam übersetzten Werke (mit Übersetzernennung auf dem Umschlag). – Bild: Residenz Verlag

Romane Teil des Amadoka-Epos

Die Auszeichnung erfolgt für die beiden Romane Die Geschichte von Romana und Die Geschichte von Uljana. Die Bände sind Teil des „Amadoka-Epos“, dessen dritten Teil Die Geschichte der Sofia der Residenz Verlag im Oktober 2024 auf Deutsch vorlegen wird. Im ukrainischen Original ist der Roman in einem Band 2020 unter dem Titel Amadoka in Lemberg (Lwiw) erschienen.

Andruchowytsch sei es gelungen, „auf formal vielfältige und beeindruckende Weise ein weitgespanntes Panorama der Ukraine des 20. Jahrhunderts zu entwerfen“, so die Jury. Beide Bücher zeugten von der Sprachkraft, Erfindungsgabe und Ambition der Autorin. Konkret gehe es um „die traumatischen Phasen der Geschichte, die das kollektive Gedächtnis der Ukrainer geprägt haben: den Krieg in der Ostukraine, den Holocaust und den Stalinismus“.

In der Geschichte geht es um die Archivarin Romana, die sich im ersten Teil des Romans zur mehr oder weniger sichtbaren Erzählerin des gesamten Epos entwickelt. Sie erzählt Bohdan, der im Krieg sein Gedächtnis verloren hat und in dem sie ihren Ehemann wiedergefunden zu haben glaubt, seine und die Geschichte seiner Familie.

Im zweiten Teil des Romans lässt Romana anhand von Fotografien Bohdans Urgroßvater, seine Tochter Uljana und ihre große Liebe, den jüdischen Jungen Pinkas, aus ihren Leben während der deutschen Besatzung berichten. Das Epos unterwerfe sich so der Kritik durch die Leser: Jeder von ihnen werde aufgefordert, den Wahrheitsgehalt des Erzählten anzuzweifeln, schreiben die Juroren.

Alexander Kratochvil
Alexander Kratochvil – Bild: Kulturallmende

Übersetzer prominente Vermittler ukrainischer Literatur

Dem Übersetzer-Team Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck gelinge es, das sehr differenzierte Sprachregister des „Amadoka-Epos“ virtuos ins Deutsche zu übertragen, heißt es in der Begründung der Preisvergabe. Die historischen Stimmen und Tonlagen aus 100 Jahren träfen sie ebenso wie die unterschiedlichen Erzählkonstruktionen, die lässig oder unzuverlässig seien, schlicht oder raffiniert, gebannt von den historischen Gräueln und stark in der Suche nach dem eigenen Glück.

Sowohl Kratochvil als auch Weissenböck sind seit Jahren prominente Vermittler ukrainischer Literatur für die deutschsprachige Leserschaft.

Maria Weissenböck
Maria Weissenböck – Bild: Johannes Kernmayer

Jury-Mitglieder

Jury-Mitglieder waren in diesem Jahr Prof. Dr. Maria Ivanytska, Kateryna Mishchenko, Dr. Jörg Plath, Prof. Dr. Schamma Schahadat und Ulrike Almut Sandig.

red