Werner von Koppenfels erhält Übersetzungspreis der Landeshauptstadt München 2024

München, Frauenkirche
München, Frauenkirche. - Bild: Michael Siebert / Pixabay

Werner von Koppenfels (85) wird 2024 mit dem Übersetzungspreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Die alle drei Jahre vergebene Ehrung ist mit 10.000 Euro dotiert.

Werner von Koppenfels
Werner von Koppenfels – Bild: privat

Von Koppenfels lehrte über Jahrzehnte Anglistik und Komparatistik an der Ludwig-Maximilians-Universität und war dort maßgeblich an der Einrichtung des damaligen Aufbaustudiengangs „Literarische Übersetzung aus dem Englischen“ (heute: Masterstudiengang „Literarisches Übersetzen“) beteiligt und hat diese zweisemestrige Aus- und Weiterbildung bis 2004 mitgestaltet.

Er übersetzte aus dem Englischen, Französischen, Spanischen und Lateinischen „mit besonderer Vorliebe für das bislang Übergangene, sprachlich höchst Geschliffene“, so die Jury. Thematisch reicht das Spektrum von amouröser und religiöser Lyrik über philosophische, geistliche und literaturbezogene Essayistik bis hin zu Polemischem und Satirischem sowie einem Schelmenroman.

Begründung der Jury

Werner von Koppenfels, 1938 in Dresden geboren, lehrte von 1974 bis zu seiner Emeritierung Anglistik und Komparatistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, mit Zwischenstationen in Virginia und Minnesota.

Er hat Generationen von Studierenden mit dem Umfang seiner Seminarlektüren verschüchtert und durch das Vorbild seiner Belesenheit geprägt – und hat vor allem weit über den Universitätsbetrieb hinaus- und auf die deutsche Leselandschaft eingewirkt, auch als Rezensent in FAZ und NZZ. Ihm verdanken sich – zusammen mit Friedhelm Kemp – zwei maßstabsetzende, zweisprachige Anthologien der französischen und der englischen Lyrik in jeweils vier Bänden: von den Anfängen bis zur Gegenwart (beide im Verlag C.H. Beck).

Aus vier der sechs bis sieben Sprachen, die er mühelos liest, hat er auch selbst übersetzt: aus dem Englischen, Französischen, Spanischen und Lateinischen – jeweils mit untrüglichem Gespür für das Hochkarätige und mit besonderer Vorliebe für das bislang Übergangene, sprachlich höchst Geschliffene.

Historisch reicht das Spektrum von Erasmus von Rotterdam bis zu einem Band des karibischen Nobelpreisträgers Derek Walcott aus dem 21. Jahrhundert, mit einem Schwerpunkt in der Barockzeit, und umfasst amouröse und religiöse Lyrik, philosophische, geistliche und literaturbezogene Essayistik, einen Schelmenroman, Polemisches und Satirisches, Tagebücher und sogar Kinderreime.

Für sehr viele der Autorinnen und Autoren ist er der erste und bislang einzige deutsche Übersetzer, unter anderem in seinen klug komponierten Themenanalogien: zu europäischer barocker Gartenpoesie, mit Gedichten aus Kerkern und Gefängnissen Europas, und vieles mehr.

Von Koppenfels‘ Übersetzungspraxis widerlegt ein Diktum von Robert Frost, wonach Dichtung das ist, was in der Übersetzung verlorengeht. Koppenfels dagegen: „Dichtung ist das, was der Übersetzer zu bewahren hat, und ganz hoffnungslos ist seine Sache nicht“ – jedenfalls nicht, wenn man ihn selbst am Werk sieht: wie das geschulte Auge des Philologen die Finessen der Originale erfasst und er sie dann stilsicher in seinen reichen deutschen Wortschatz überführt, wobei er für das, was sich in den Vorlagen der Übersetzbarkeit bleibend entzieht, im Deutschen ebenso findig wie erfinderisch neue und andersartige Reize und Assoziationen hinzugewinnt (u. a. durch den souveränen Einsatz unreiner Reime).

Mit dem Übersetzungspreis 2024 ehrt die Stadt München einen Kulturvermittler von unermüdlicher Entdeckerfreude und außergewöhnlicher Sprachmächtigkeit – der last, not least 1987 den Aufbaustudiengang „Literarische Übersetzung aus dem Englischen“ (heute: Masterstudiengang „Literarische Übersetzung“) an der LMU mitbegründet und bis 2004 maßgeblich gestaltet hat, so dass sein Einsatz eine Fortsetzung findet.

Werner von Koppenfels zu lesen, heißt (um es mit einer Metapher des ihm so lieben 17. Jahrhunderts zu sagen): immer neue funkelnde Tautropfen der Literaturtradition zu entdecken, in denen als Mikrokosmos sich die Kulturgeschichte von der frühen Neuzeit bis zur Postmoderne spiegelt.

Mitglieder der Jury

Der Jury gehörten unter der Leitung von Kulturreferent Anton Biebl an: Prof. Dr. Tobias Döring (LMU, Anglistik), Dr. Eberhard Falcke (freier Literaturkritiker), Wanda Jakob (freie Lektorin, Übersetzerin), Dr. Zuzana Jürgens (Slavistin, Adalbert Stifter Verein e.V.), Dr. Pia-Elisabeth Leuschner (Lyrik Kabinett) und Agnes Relle (Übersetzerin, Preisträgerin 2021) sowie die Stadträt*innen Mona Fuchs (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste), Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste), Dr. Evelyne Menges (Fraktion CSU mit FREIE WÄHLER), Matthias Stadler (Fraktion CSU mit Freihe Wähler) und Klaus Peter Rupp (Fraktion SPD/Volt).

Auszeichnung für ein übersetzerisches Gesamtwerk

Der mit 10.000 Euro dotierte Übersetzungspreis der Landeshauptstadt München wurde im Jahr 2000 erstmals verliehen und ist – analog dem Literatur– und Publizistikpreis – die Auszeichnung für ein Gesamtwerk.

Gewürdigt werden die hohe Qualität der Arbeiten und die besonderen Verdienste eines Münchner Übersetzers für die Vermittlung fremdsprachiger Literatur. Der Preis berücksichtigt primär Übersetzungsleistungen in den Bereichen Belletristik und Essayistik, aber auch im Bereich Sachbuch mit literarischer Qualität.

Vorausgesetzt wird, dass die Preisträger in München oder zumindest der Region leben. Vorschlagsberechtigt ist die vom Stadtrat berufene Fachjury. Die Entscheidung liegt beim Kulturausschuss der Stadt München. Eine Eigenbewerbung ist nicht möglich.

Frühere Preisträger waren:

  • 2021: Agnes Relle
  • 2018: Dirk van Gunsteren
  • 2015: Melanie Walz
  • 2012: Dagmar Ploetz
  • 2009: Rudolf Hermstein
  • 2006: Burkhart Kroeber
  • 2003: Rosemarie Tietze
  • 2000: Herbert Schlüter

red