Manga-Übersetzer protestieren in offenem Brief gegen Leben am Existenzminimum und drohende Altersarmut

Manga-Titel
Das Geschäft mit Manga-Titeln läuft und wird durch Werbemaßnahmen wie den Manga Day weiter angekurbelt. - Bild: Richard Schneider

Der Siegeszug und das immer noch zunehmende Massengeschäft mit Manga-Titeln sind für jedermann offensichtlich. In den Buchhandlungen stehen neben einem Regal mit klassischen franko-belgischen und amerikanischen Comics typischerweise vier bis fünf Regale mit Mangas. Diese werden aus dem Japanischen und in geringerem Umfang auch aus dem Chinesischen (Manhua) oder Koreanischen (Manhwa) übersetzt.

Ein Riesengeschäft nicht nur für die in diesem Segment tätigen Verlage, sondern auch für die wenigen qualifizierten Japanisch-Übersetzer – sollte man meinen. Bei steigender Nachfrage nach Übersetzungen aus asiatischen Sprachen, die im deutschen Sprachraum selten sind, und einer geringen Zahl von Übersetzern müssten deren Honorare eigentlich durch die Decke gehen.

Aber das scheint nicht der Fall zu sein. Stattdessen ist das mit Manga-Übersetzungen zu erzielende Einkommen offenbar auch bei guter Auftragslage ebenso wie in anderen Segmenten der Literaturübersetzung kaum auskömmlich und steht sogar unter Druck.

Aus diesem Grund hat der Arbeitskreis „Fair Wage per Page“ innerhalb des Literaturübersetzer-Verbands VdÜ jetzt einen offenen Brief verfasst, den wir nachfolgend im Wortlaut wiedergeben (Hervorhebungen im Original):

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Petition Manga-Übersetzer
Bild: unbekannt

Offener Brief der Manga- und Light-Novel-Übersetzenden im deutschsprachigen Raum

Tag für Tag bauen wir Übersetzenden Brücken zwischen Kulturen, doch unser eigenes Fundament bröckelt – und zwar gewaltig: Laut einer internen Umfrage, an der ca. ein Viertel der derzeit aktiven Manga-Übersetzenden teilgenommen hat, können sich 57 Prozent der Befragten nicht vorstellen, langfristig unter den aktuellen Bedingungen weiterzuarbeiten.

Manga boomen wie nie zuvor. Allein in den letzten vier Jahren ist der Markt beinahe um das Dreifache gewachsen. Die wirtschaftlichen Erfolge der Verlage spiegeln sich jedoch nicht in den Honoraren von uns Übersetzenden wider, obwohl ohne uns kein einziger Titel in deutscher Sprache erscheinen könnte. Während sich Manga und Light Novels im deutschsprachigen Raum immer besser verkaufen, verdienen wir Übersetzenden pro Band mit jedem Jahr effektiv weniger. Unser Honorar fällt inflationsbereinigt bei einigen Verlagen sogar bis zu 30 Prozent niedriger aus als noch vor zehn Jahren.

Diese Entwicklung schadet unserer körperlichen und vor allem mentalen Gesundheit, gefährdet unsere Existenz und hindert uns daran, die Zeit und die Hingabe aufzubringen, die die Texte verdienen. Damit einher gehen Überarbeitung, Burnout und/oder ein Leben am Existenzminimum sowie ein hohes Risiko, in Altersarmut zu fallen. Die marktüblichen Honorarsätze sind für Freiberufliche wirtschaftlich nicht tragbar und reichen nicht zum Leben. Trotz wiederholter Gesprächsgesuche zeigt der größte Teil der Verlage keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Das empfinden wir als Ausdruck mangelnder Wertschätzung.

Erfahrungsgemäß drohen uns bei Forderungen nach Honoraranpassungen, selbst nach langjähriger professioneller Übersetzungsleistung, der Verlust des Auftrags und in manchen Fällen sogar der vollständige Abbruch der Geschäftsbeziehung. Dass ausgerechnet Manga- und Light-Novel-Verlage dabei die Komplexität ihrer eigenen Produkte argumentativ bagatellisieren, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Die Geschäftspolitik der Verlage und die schlechten Arbeitsbedingungen für uns Übersetzende schaden nicht zuletzt auch den Endprodukten im Regal: den Manga und den Light Novels, für die Fans mit ihrem Geld bezahlen. Das muss sich ändern!

Daher fordern wir eine Erhöhung der Grundhonorare und die Abrechnung nach Normseiten gemäß dem Vertrag zwischen VdÜ und Börsenverein, einen regelmäßigen Inflationsausgleich sowie eine Staffelung der Honorare bei langjähriger Zusammenarbeit. Bei unverhältnismäßigem Mehraufwand müssen darüber hinaus Raum zur Nachverhandlung und/oder Recherchepauschalen bzw. Eilzuschläge gewährt werden. Aufgaben wie die Beschaffung und die Vorbereitung der Originaltexte (Einscannen, Nummerieren der Sprechblasen), die Glossarführung etc. dürfen nicht unbezahlt von uns angefordert werden, und wir verlangen faire Tantiemenregelungen mit einer Beteiligung ab dem ersten verkauften Exemplar ohne Verrechnung mit dem Basishonorar (in Anlehnung an die Gemeinsame Vergütungsregel des VdÜ; vgl. BGH-Urteile von 2009 und 2011).

Wir sind uns bewusst, dass die obigen Forderungen nicht von heute auf morgen umsetzbar sind. Wir sehen auch die Bestrebungen einzelner Verlage, bessere Bedingungen für Übersetzende zu schaffen, und wissen diese zu schätzen. Dennoch: Kaum ein deutschsprachiger Manga- oder Light-Novel-Verlag zahlt aktuell faire und unserer Leistung entsprechende Honorare. Verlage müssen wirtschaftlich handeln, um zu überleben. Dasselbe gilt auch für uns.

Die jetzige Situation ist weder tragbar noch nachhaltig. Wir laden die Verlage ein, mit uns in den Dialog zu treten, damit wir die deutschsprachige Leserschaft auch in Zukunft mit vielen fantastischen Manga und Light Novels versorgen können.

Unterzeichnet von den Manga- und Light-Novel-Übersetzenden:

Alexandra Klepper, Aminata Estelle Diouf, Anja Truong, Anna Herr, Anne Klink, Antje Bockel, Benjamin Leimser, Benjamin Rusch, Bernd Sambale, Carina Dallmeier, Cheyenne Dreißigacker, Christina Rinnerthaler, Claudia Peter, Constanze Thede, Diana Hesse, Doreaux Zwetkow, Dorothea Überall, Ekaterina Mikulich, Elena Müller, Etsuko Tabuchi, Eva Bischof, Florian Weitschies, Franziska Riedel, Gandalf Bartholomäus, Gregor Wakounig, Gyo Araiwa, Isabelle Mathes, Jan Lukas Kuhn, Jan-Christoph Müller, Janett Blesch, Jannik Eimen, John Schmitt-Weigand, Julia Gstöttner, Kaito Kaiba, Katarina Rinas, Katrin Stamm, Laura Kaiser, Larissa Bamberger, Luise Renner, Luise Steggewentz, Madlen Beret, Manuel Chillagano, Marcus Wehner, Mareen Sickel, Martin Bachernegg, Martin Gericke, Michael Ebersberger, Mikazuki Luna, Miryll Ihrens, Monika Hammond, Nadja Stutterheim, Nana Umino, Nicole Linnemann, Ninako Takeuchi, Nora Bartels, Nora Bierich, Ok-Hee Jeong, Rahel Niedermann, Ruben Grest, Sarah Ozolnieks, Sascha Berkel, Tabea Kamada, Thilo Waßmer, Tina Bischof, Tony Toshimitsu Tran, Verena Maser, Victoria Zach (Stand 09.10.2024)

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Honorarsätze reichen nicht zum Leben, Kaiju No. 8
Bild: UEPO, Zeichnung aus Kaiju No. 8

Aufruf zum Zeichnen einer Petition

Die Initiatoren haben unter dem Titel „Faire Bezahlung für Manga- & Light-Novel-Übersetzende“ bei Change.org eine Petition gestartet und rufen alle, die sich mit den Forderungen solidarisch erklären möchten, dazu auf, diese zu zeichnen.

Weiterführender Link

rs