Diplom-Dolmetscherin Karin Keller-Sutter seit Januar 2025 Bundespräsidentin der Schweiz

Karin Keller-Sutter
Karin Keller-Sutter - Bild: Schweizerische Bundeskanzlei

Seit Jahresbeginn 2025 leitet erstmals eine Diplom-Dolmetscherin die Regierungsgeschäfte der Schweiz.

Karin Keller-Sutter gehört bereits seit 2018 dem schweizerischen Bundesrat an, der der deutschen Bundesregierung entspricht. Sie war von 2019 bis 2022 Justizministerin der Schweiz und ist seit 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (Finanzministerin).

Am 1. Januar 2025 übernahm sie zusätzlich turnusgemäß für ein Jahr die Aufgaben der Bundespräsidentin.

Die 1963 geborene FDP-Politikerin (Freisinnig-Demokratische Partei – Die Liberalen) wuchs im Kanton St. Gallen auf und ließ sich an der Dolmetscherschule Zürich (DOZ, heutige ZHAW Winterthur) zur Übersetzerin und Konferenzdolmetscherin ausbilden.

In der Wikipedia heißt es:

Nach dem Diplom arbeitete sie als selbständige Konferenzdolmetscherin. Zudem absolvierte sie einen einjährigen Studienaufenthalt in London, studierte ein Semester Politikwissenschaft an der Universität Montreal, absolvierte ein Nachdiplomstudium Pädagogik an der Universität Freiburg und war als Berufsmittelschullehrerin tätig.

Keller-Sutter war vor ihrer Wahl in den Bundesrat unter anderem Präsidentin im Verwaltungsrat der Pensimo Fondsleitung AG, Präsidentin der Anlagestiftung Pensimo, Vizepräsidentin der St. Galler Stiftung für Internationale Studien des St. Gallen Symposium, ab Mai 2013 im Verwaltungsrat der Versicherungsgruppe Bâloise und der ASGA Pensionkasse St. Gallen sowie Präsidentin des Detailhandelsverbandes Swiss Retail Federation und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Von 2012 bis 2016 war sie zudem Mitglied im Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe.

Karin Keller-Sutter begann ihre politische Karriere von 1992 bis 2000 als Gemeinderätin von Wil; 1997 präsidierte sie den Gemeinderat. Von 1996 bis 2000 war sie Mitglied des Kantonsrats von St. Gallen und zwischen 1997 und 2000 Präsidentin der FDP des Kantons St. Gallen. Seit ihrer Wahl am 12. März 2000 bis Ende Mai 2012 war sie Regierungsrätin. Sie stand dem Sicherheits- und Justizdepartement vor und war Präsidentin der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD). Im Jahr 2006/07 sowie 2011/12 stand sie der Kantonsregierung vor.

Kaum Kritik, obwohl sie „nur eine Dolmetscherin“ ist

In Deutschland wird Robert Habeck oft als „Kinderbuchautor“ verspottet. (Zum Glück für unsere Berufsgruppe hat in den Medien niemand mitbekommen, dass er auch als Übersetzer tätig war.) Ebenso muss sich in der Schweiz Karin Keller-Sutter in den Sozialen Medien gelegentlich anhören, sie sei doch „nur eine Dolmetscherin“ und gehöre nicht in die von ihr ausgeübten Ämter.

Allerdings erschallen solche Vorwürfe deutlich seltener als beim deutschen Deindustrialisierungsminister, weil es an der Arbeit von Keller-Sutter kaum etwas auszusetzen gibt.

Schweiz hat weder Regierungschef noch Staatsoberhaupt

Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft kennt weder ein Staatsoberhaupt noch einen Regierungschef. Der siebenköpfige Bundesrat als Regierung der Schweiz wählt aus seiner Mitte einen Bundespräsidenten, der als primus inter pares den Vorsitz bei den Sitzungen führt und eine Art Sprecher der Bundesregierung ist.

Der Bundespräsident bleibt in seiner Amtszeit weiterhin Leiter seines Departements. So ist Karin Keller-Sutter nach wie vor Finanzministerin. Sie kann beliebig oft wiedergewählt werden, allerdings immer erst nach mindestens einem Jahr Pause.

Dass jemand wie in Deutschland 16 Jahre lang ununterbrochen die Regierung leitet, ist in der Schweiz nicht nur undenkbar, sondern vollkommen unmöglich. Die Verfassung erlaubt nicht einmal zwei Jahre, sondern nur ein einziges.

Zwar gibt es in der Schweiz ebenso wie in Deutschland und Österreich einen Bundeskanzler. Dieser ist jedoch lediglich Leiter der Bundeskanzlei, also Stabschef der Regierung (Bundesrat). Er nimmt an den Sitzungen des Bundesrates teil, kann dort aber nur beratend ohne Stimmrecht mitwirken.

Protokollarische Funktionen, die in anderen Ländern dem Staatsoberhaupt obliegen, nimmt in der Schweiz der Bundesrat als Ganzes wahr – nicht unbedingt der Bundespräsident.

Bundesrat Schweiz 2025
Die sieben Mitglieder des schweizerischen Bundesrats und der Bundeskanzler im Jahr 2025. – Bild: Schweizerische Bundeskanzlei

Richard Schneider