Marx und Engels über Sprache, Stil und Übersetzung

Marx, Engels: Über Sprache, Stil und Übersetzung
Was haben Karl Marx und Friedrich Engels zum Thema Sprache, Stil und Übersetzung zu sagen? Dieser Band gibt darüber erschöpfend Auskunft. - Bild: Richard Schneider

Am heutigen Geburtstag von Friedrich Engels möchten wir ein Werk vorstellen, das 1974 in der Hauptstadt der DDR erschienen ist. Auch 50 Jahre später stellt der Band Karl Marx, Friedrich Engels – Über Sprache, Stil und Übersetzung eine interessante Lektüre dar. Zusammengestellt wurden die Texte von Heinz Ruschinski und Bruno Retzlaff-Kresse, erschienen ist das 726 Seiten starke Werk im Dietz Verlag.

Sowohl Karl Marx als auch Friedrich Engels lebten als politisch Verfolgte die längste Zeit ihres Lebens im Ausland:

  • Der in Trier geborene Marx wurde 1849 aus Preußen ausgewiesen, ging zunächst für kurze Zeit nach Paris und Brüssel und lebte anschließend rund 34 Jahre bis zu seinem Tod 1883 in London.
  • Engels wurde in Barmen geboren, einem heutigen Stadtteil von Wuppertal, und arbeitete 1842 bis 1844 als General Assistant im boomenden Manchester – im britischen Ableger des expandierenden elterlichen Betriebs, der hochfestes Nähgarn für die Textilindustrie produzierte. Nach einigen Jahren in Brüssel und Paris kehrte er 1850 nach Manchester zurück und zog 1870 nach dem Ausstieg aus dem Familienunternehmen schließlich nach London, wo schon Karl Marx mit seiner Familie lebte. Er starb 1895 ebendort, verbrachte also weit mehr als die Hälfte seines Lebens in England.

Im Klappentext des Buchs heißt es:

Was ist Sprache, wie ist sie entstanden? In welchem Verhältnis stehen Sprache und Denken, Inhalt und Form, Sprache, Ideologie und Klasse zueinander? Was zeichnet eine gute Übersetzung aus? Wie kann man Fremdsprachen erlernen?

Zu diesen und anderen Fragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, der Sprachgeschichte und des Sprachgebrauchs findet der Leser in diesem Buch zahlreiche Äußerungen von Marx und Engels.

Er erfährt, welche Erkenntnisse sie aus ihrer lebenslangen Beschäftigung mit Sprachen gewannen, welche Rolle sie dem Erlernen von Fremdsprachen beimaßen und welche hohen Anforderungen sie an die sprachliche Meisterschaft des Schriftstellers und Übersetzers stellten.

Diese umfangreiche Materialsammlung aus Werken und Briefen von Marx und Engels wird dazu beitragen, den Ideenreichtum der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus auch für das Gebiet der Sprachwissenschaft und des praktischen Sprachgebrauchs voll zu erschließen.

Kommunistisches Manifest, Übersetzung Japanisch
Das Manifest der Kommunistischen Partei wurde in mehr als 200 Sprachen übersetzt. Hier eine japanische Ausgabe aus dem Jahr 1952. – Bild: Richard Schneider

Marx beherrschte Englisch und Französisch, Engels war ein Sprachgenie

In der Einleitung heißt es:

Eine der Voraussetzungen für die bedeutenden schriftstellerischen und sprachschöpferischen Leistungen von Marx und Engels war die Tatsache, daß sie eine große Zahl von Fremdsprachen beherrschten, diese außergewöhnlichen Kenntnisse ständig vertieften, erweiterten und in vielfältiger Weise anwandten. […]

Aus ihrer Korrespondenz und aus den Erinnerungen ihrer Freunde ist bekannt, wie intensiv beide von frühester Jugend an Sprachen lernten und welche Bedeutung sie der gründlichen Beherrschung mehrerer Sprachen beimaßen.

Von Marx wissen wir, dass er Englisch und Französisch sprach und schrieb, nahezu alle europäischen Sprachen las und auch über gute Kenntnisse des Griechischen und Lateinischen verfügte.

Engels‘ Sprachkenntnisse waren noch umfassender: Er beherrschte etwa 20 Sprachen, davon zwölf aktiv, und kannte von mehreren auch frühere historische Entwicklungsstufen.

Diese intensive Beschäftigung mit Sprachen, die Marx und Engels stets mit dem gründlichen Studium der Geschichte der betreffenden Völker, ihrer Kultur und Literatur verbanden, standen in engstem Zusammenhang mit ihrem publizistischen und theoretischen Schaffen. Sie erschloß ihnen die Schätze der Weltliteratur und ermöglichte ihnen, wissenschaftliche Publikationen in den jeweiligen Originalsprachen zu lesen.

Aber auch für ihr praktisch-revolutionäres Wirken war die Kenntnis vieler Sprachen sehr wichtig. Wie anders hätten sie die zahlreichen Verbindungen zu den Vertretern der revolutionären Arbeiterbewegung verschiedener Länder unterhalten können […]?

So waren die Sprachen für Marx und Engels Waffe und unentbehrliches Rüstzeug für ihre revolutionäre Wissenschaft und Praxis, und sie blieben es zeitlebens.

Kommunistisches Manifest
Eine 1972 erschienene mexikanische Ausgabe des Manifests von Carlos Marx und Federico Engels. – Bild: Richard Schneider

Marx und Engels waren auch Übersetzer, Lektoren und Übersetzungskritiker

Weiter lesen wir:

Viele ihrer Schriften übersetzten sie selbst in andere Sprachen und organisierten – oft unter schwierigsten Umständen – deren Veröffentlichung. Noch größeren Umfang nahm die Revision und Autorisierung von Übersetzungen ihrer Arbeiten ein, die andere angefertigt hatten.

Hierbei wiesen sie sich als hervorragende Übersetzer aus, und in zahlreichen brieflichen Bemerkungen zu ihrer Übersetzungs- oder Revisionsarbeit finden sich interessante und für jeden Sprachmittler lehrreiche Gedanken über Prinzipien und Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens sowie eine Reihe konkreter Beispiele, an denen fehlerhafte Übersetzung nachgewiesen und kritisiert wird.

Wenn Marx und Engels auch die Probleme des Übersetzens meist ganz konkret und praktisch behandelten, so haben sie doch in ihren Anforderungen an den Übersetzer ihrer Schriften und in ihren Übersetzungskritiken zugleich einige wesentliche, allgemeingültige Kriterien wissenschaftlicher Übersetzung formuliert, so zum Beispiel Engels in seinem bekannten Artikel „Wie man Marx nicht übersetzen soll“, in dem er eine von Henry Mayers Hyndman angefertigte englische Übersetzung von Teilen des „Kapitals“ einer vernichtenden Kritik unterzieht. […]

Diese und zahlreiche andere in Schriften und Briefen enthaltene Aussagen von Marx und Engels zeigen, wie die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus sich stets schonungslos gegen Übersetzungen wandten, die den Inhalt der Originalschrift verfälschten und in der sprachkünstlerischen Qualität in unzulässiger Weise hinter dem Original zurückblieben.

Richtige und gute Übersetzungen ihrer Werke und vieler Dokumente und Schriften der Arbeiterbewegung waren für Marx und Engels wirksame Waffen im theoretischen und politischen Kampf. […]

Die Aufgabe des Übersetzers sahen Marx und Engels darin, den Sinn, die Gedanken und sprachlichen Bilder des Originals mit adäquaten Mitteln in der anderen Sprache nachzuschaffen und nicht losgelöst vom Kontext einzelne Ausdrücke und Wörter zu übersetzen. Vom ständigen Ringen um diese hohe Qualität ist auch ihre eigene Übersetzungspraxis gekennzeichnet; […].

Aus ihren positiven Urteilen über die Leistungen solcher Übersetzer, wie Samuel Moore, Nikolai Franzewitsch Danielson, Joseph Roy, und aus dem beinahe uneingeschränkten Lob, das Engels den Übersetzungen Laura Lafargues zollte, wird deutlich, daß ihre Ansprüche an eine gute Übersetzung wissenschaftlicher oder literarischer Werke keine unerreichbaren Idealvorstellungen waren, sondern von den besten Übersetzern ihrer Werke weitgehend erfüllt wurden.

Engels-Denkmal
Überlebensgroß (3,85 m) in Denkerpose: Friedrich Engels. Das Denkmal ist ein Geschenk der Volksrepublik China, das 2014 in Wuppertal aufgestellt wurde. – Bild: Richard Schneider

Inhalt

Einführung
Über die Rolle der Sprachen im Leben von Marx und Engels
Aus Erinnerungen von Marx
Aus Erinnerungen von Engels

1 Über Fragen der Sprachwissenschaft
1.1 Über allgemeine sprachwissenschaftliche Fragen
1.1.1 Wesen und Ursprung der Sprache
1.1.2 Objektive Realität – Denken – Sprache
1.1.3 Sprache – Ideologie – Klasse
1.1.3.1 Das Wesen der Ideologie in der Klassengesellschaft und ihre Rolle in der Geschichte
1.1.3.2 Vom Einfluss der Klassenideologie auf den Sprachgebrauch
1.1.4 Über Sprachen und Mundarten von Stämmen, Nationalitäten und Nationen
1.1.4.1 Aus der Frühgeschichte einzelner Sprachen und Mundarten
1.1.4.2 Sprache und Nation
1.1.5 Zur vergleichend-historischen Sprachwissenschaft
1.2 Über spezielle sprachwissenschaftliche Fragen
1.1.1 Zur Terminologie einiger Wissenschaften
1.2.2 Über einzelne Termini und Wörter (Begriffsbestimmungen und Wortbedeutungen)
1.2.3 Zur Etymologie einzelner Wörter

2 Zu Fragen des Sprachgebrauchs und des Stils
2.1 Zum Verhältnis von Inhalt und sprachlicher Form
2.2 Zum Sprachgebrauch im offiziellen Amtsverkehr
2.3 Zum Sprachgebrauch einiger zeitgenössischer Presseorgane
2.4 Zum Sprachgebrauch in der Belletristik
2.5 Marx und Engels über ihren eignen Stil und ihre sprachgestalterische Tätigkeit
2.6 Urteile über den Stil einiger Autoren

3 Zum Übersetzen
3.1 Marx und Engels zu Übersetzungen ihrer eigenen Werke
3.1.1 Zu Übersetzungen des „Kapitals“
3.1.2 Zu Übersetzungen des „Manifests der Kommunistischen Partei“
3.1.3 Zu Übersetzungen anderer Werke von Marx und Engels
3.2 Marx und Engels zu Übersetzungen der Werke anderer Autoren
3.3 Über das Erlernen von Fremdsprachen; Sprachstudien und Sprachkenntnisse von Marx und Engels

Anhang
Über die sprachlichen Leistungen der Abiturienten Karl Marx und Friedrich Engels

Register
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Verzeichnis literarischer und mythologischer Namen

Bibliografische Angaben

  • Karl Marx, Friedrich Engels: Über Sprache, Stil und Übersetzung. Dietz Verlag Berlin, 1974. Auswahl und Redaktion: Heinz Ruschinski, Bruno Retzlaff-Kresse. Die Marx/Engels-Texte wurden vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED autorisiert. 726 Seiten.

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Richard Schneider