Im Wuppertaler Engels-Haus läuft vom 13. März bis zum 14. Mai 2023 (ursprünglich bis 23. April, dann verlängert) eine von Dr. Lars Bluma kuratierte Kabinettausstellung mit fremdsprachigen und druckgrafisch herausragenden Ausgaben des Manifests der Kommunistischen Partei. Anlass ist das 175. Jubiläum der Erstauflage von 1848.
Nicht nur die Buchverlage wissen beim Produzieren geplanter Bestseller, wie wichtig Übersetzungen sind, um einen weltweiten Hype zu erzeugen. Auch Marx und Engels war das vor 175 Jahren schon bewusst. Die Erstauflage des Manifests erschien in sechs Sprachen, nämlich – wie es in der Einleitung heißt – „in englischer, französischer, deutscher, italienischer, flämmischer und dänischer Sprache“.
In mehr als 200 Sprachen übersetzt
Zum Konzept der kleinen, feinen Ausstellung schreiben die Veranstalter:
Als 1848 das Kommunistische Manifest in London veröffentlicht wurde, erreichte der von Karl Marx in zwei Tagen geschriebene Text nur eine kleine Leserschaft. Heute, 175 Jahre später, zählt das Manifest zu den Top 5 der meistverkauften Bücher der Welt. Es ist ein Klassiker geworden, der zudem zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gehört und in mehr als 200 Sprachen übersetzt wurde.
Karl Marx und Friedrich Engels wurden vom Bund der Kommunisten, eine frühe revolutionär-sozialistische Vereinigung, mit der Ausarbeitung eines Statuts beauftragt. Engels, der schon 1847 die „Grundsätze des Kommunismus“ formuliert hatte, schlug die Bezeichnung „Manifest“ vor.
Erst mit der weiteren Erstarkung und Institutionalisierung der Arbeiterbewegung seit den 1860er Jahren und dem Revolutionsgeschehen nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der sprachlich mitreißende Text die große weltweite Relevanz, die er bis heute besitzt. […]
Die Kabinettausstellung im Engels-Haus zeigt eine kleine, aber vielfältige Auswahl aus der Wuppertaler Manifest-Sammlung. Ein Schwerpunkt wird auf besonders illustrierte und druckgraphisch herausragende Ausgaben gelegt.
Zwanzig Exponate in sechzehn Fremdsprachen
Den Großteil seiner umfangreichen Manifest-Sammlung verdankt das Museum Industriekultur Wuppertal dem Historiker und bedeutenden Marx- und Engels-Forscher Heinrich Gemkow (1928 – 2017). Gemkow zählte zu den wenigen DDR-Forschern, die damals auch ins westliche Ausland reisen durften.
Er hat im Lauf seines Lebens mehrere hundert Exemplare aus allen Teilen der Welt zusammengetragen, darunter auch Ausgaben mit persönlichen Widmungen.
Nachfolgend die 20 fremdsprachigen Exponate der Wuppertaler Kabinettausstellung. Die Bildunterschriften entsprechen dem Text der Hinweistafeln.
Obersorbisch
Manifest komunistiskeje strony. Bautzen, DDR, 1969. Im Domowina-Verlag auf Obersorbisch erschienene Ausgabe. Die Umschlagillustration zeigt einen Linolschnitt der deutschen Künstlerin Gabriele Meyer-Dennewitz (1922 – 2011). Der 1958 gegründete Domowina-Verlag in Bautzen betreute als Nationalitätenverlag den gesamten Bereich des in sorbischer Sprache gedruckten Wortes in Fortführung einer mehr als 450-jährigen Tradition sorbischen Schrifttums.
Ukrainisch
Manifest komunistyčnoï partiï. Kiew, Ukraine, 1979. Im Verlag für politische Literatur der Ukraine erschienene Ausgabe in ukrainischer Sprache. Illustriert ist sie mit Werken des Künstlers Sergej Andreevich Geta (geboren 1951 in Kiew), die er für seine Diplomarbeit am nationalen Kunstinstitut in Kiew (die heutige Nationale Akademie der Bildenden Künste und Architektur) im Stil der westlichen Pop-Art der späten 1960er Jahre fertigte.
Kirgisisch
Kommunisttik partijanyn manifesti. Bischek, Kirgisistan, 1975. Die Ausgabe ist mit zahlreichen Illustrationen des Künstlers Aleksandr Ivanovich Misurev (1936 – 2002) versehen. Herausgeber ist die Kommunistische Partei der Sowjetunion, Lehrstuhl für Marxismus-Leninismus, Institut-Filiale Kirgisistan. Die Kirgisische Sozialistische Sowjetrepublik wurde am 5. Dezember 1936 gegründet, am 31. August 1991 erklärte sie ihre Unabhängigkeit unter dem neuen Namen Republik Kirgisistan.
Dänisch
Det kommunistiske Manifest. Kopenhagen, Dänemark, 1898. In der Reihe „Socialistiske Skrifter“ (Sozialistische Schriften) erschienene dänische Ausgabe, herausgegeben im Verlag der Dänischen Sozialdemokratischen Partei von Emil Wiinblad (1854 – 1935). Die Partei wollte ihre sozialistischen Ziele durch Presse, Schriften und Meinungsfreiheit durchsetzen.
Det kommunistiske Manifest. Kopenhagen, Dänemark, 1971. Ausgabe mit Illustrationen der dänischen Künstlerin Dea Trier Mørch (1941 – 2001). Mørch wird als eine wichtige Kraft des dänischen, kreativen linken Flügels betrachtet, nicht zuletzt als Mitbegründerein und Mitglied der Künstlergruppe „Røde Mor“ (Rote Mutter). Der Titeleinband stellt den Black-Power-Protest bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt dar.
Färöisch
Kommunistiska manifestið. Kopenhagen, Dänemark, 1969. Ausgabe in färöischer Sprache mit einer Einband illustration des färöischen Bildhauers und Grafikers Janus Kamban (1913 – 2009). Die drei Arbeiter mit Sense, Hammer und Rudern stellen die Erwerbszweige der Färöer dar (Landwirtschaft, Handwerk und Fischerei). Die Färöer sind seit der Autonomie 1948 eine Nation innerhalb Dänemarks. In den 1960er Jahren wurden viele Werke auf Färöisch geschrieben oder übersetzt, da eine neue Besinnung auf die Muttersprache entstand.
Hebräisch
Manifest der kommunistischen Partei. Tel Aviv, Israel, 1979. Im Iyun Verlag, vermutlich durch die Kommunistische Partei Israels herausgegebene hebräische Ausgabe des Manifests. Der Einbandtitel ist illustriert mit einer Fotografie freundschaftlich verbundener Bergarbeiter. Exemplar mit persönlicher Widmung des kommunistischen israelischen Politikers Meir Vilner (1918 – 2003), Mitunterzeichner der israelischen Unabhängigkeitserklärung 1948 und bis 1990 Mitglied der Knesset.
Arabisch
Manifest der Kommunistischen Partei. Damaskus, Syrien, 1955. Arabische Ausgabe des Manifests in einer Übersetzung des syrischen Kommunistenführers Khalid Bakdash (1912 – 1995). Bis 1954 wurde die „Syrische Kommunistische Partei“ unterdrückt. Erst nach dem Staatsstreich im Februar 1954 konnte sie frei agieren. Bis 1958 gab es einen enormen kommunistischen Machtzuwachs. Exemplar mit persönlicher Widmung des Übersetzers, der 1954 in der ersten demokratischen Wahl Syriens als erster Kommunist in ein arabisches Parlament gewählt wurde.
Tschechisch
Manifest Komunistické strany. Prag, Tschechoslowakei, 1962. Vom tschechischen Maler, Grafiker, Designer und Illustrator Václav Sivko (1923 – 1974) gestaltete Ausgabe, reich illustriert mit Faksimiles und Werken verschiedener Künstler. Der Verlag Mladá fronta (Junge Front) ist seit 1945 auf dem tschechischen Buchmarkt aktiv. Die Idee zur Gründung eines Publikationshauses für Jugendliteratur entstand während des Zweiten Weltkriegs in der damals illegalen „Jugendbewegung für die Freiheit“.
Spanisch
El Manifiesto Comunista. Madrid, Spanien, 1981. Fünfte Auflage der 1975 im Verlag „Editorial Ayuso“ veröffentlichten spanische Ausgabe in einer Übersetzung von Wenceslao Roces Suárez (1897 – 1992) und prägnanter Einbandgestaltung von César Bobis (1943 – 1996). Der spanische Maler und Grafiker gestaltete auch Theaterplakate und Plattencover.
Manifiesto del partido Comunista. Mexiko-Stadt, Mexiko, 1972. Es handelt sich um die erste nach jahrelanger Illegalität der Kommunistischen Partei in Mexiko gedruckte Ausgabe, die auch Marx‘ „Kritik des Gothaer Programms“ beinhaltet.
El Manifiesto del Partido Comunista. Nicaragua, 1978 – 1979. Zwischen 1978 und 1979, vor dem Sturz des nicaraguanischen Diktators Somoza von der „Juventud Revolucionaria Sandinista“ (Revolutionäre sandinistische Jugend) veröffentlichte spanische Lose-Blatt-Ausgabe des Manifests. Das Titelblatt zeigt einen ein Porträt von Marx hochhaltenden bewaffneten nicaraguanischen Guerilla-Kämpfer. Ideologisch umfasst der Sandinismus ein breites Spektrum von Meinungen, die vom revolutionären Marxismus bis zur Befreiungstheologie und reformistischen Agenden einer Verbreiterung bäuerlichen Eigentums reichen.
Portugiesisch
Manifesto do Partido Comunista. Moskau, Russland, 1987. Im Verlag Progress in der UdSSR erschienene Ausgabe in portugiesischer Sprache. Ausgabe mit zahlreichen abwechslungsreich arrangierten Illustrationen des ukrainischen Künstlers Sergej Andreevich Geta (geboren 1951).
Georgisch
Manifest kommunističkoj partii. Tiflis, Georgien, 1968. Bis auf wenige Ausnahmen, z. B. beim Impressum, wo kyrillische Schrift verwendet wurde, ist die Ausgabe in der georgischen Alphabetschrift Mchedruli gedruckt. Die Einbandgestaltung ist voller sozialistischer und kommunistischer Symbolik: Durch die gesprengten Eisenketten und das zerrissene schwarze Gewebe wird der Blick des Betrachters auf die im Licht erstrahlende rote Fahne sowie Hammer und Sichel gelenkt.
Manifest kommunističkoj partii. Tiflis, Georgien, 1974. Im Staatsverlag „Sabčota Sakartvelo“ erschienene Ausgabe in georgischer Sprache und Mchedruli-Schrift. Die Illustrationen nehmen nicht nur die im Sinne von Marx und Engels unüberwindliche Kluft zwischen Kapital und Arbeit auf, sondern auch die Geschichte Georgiens. Die Okkupation Georgiens durch die russische Rote Armee im Jahr 1921 bedeutete das Ende der 1918 erklärten Demokratischen Republik Georgien. Die Sowjets gründeten die Georgische (auch Grusinische) Sozialistische Sowjetrepublik. Am 9. April 1991, nach 70 Jahren unter sowjetischer Herrschaft, erklärte sich Georgien erneut für unabhängig.
Äthiopisch
YaKomiyunist parti manifésto. Äthiopien, 1976. Die erste äthiopische Ausgabe des Manifests in der Landessprache Amhari, verfasst in äthiopischer Silbenschrift, die im Gegensatz zu anderen semitischen Schriften von links nach rechts geschrieben wird. Nach dem Sturz des Kaisers 1974 durch das Militär wurde das Land sozialistisch umgestaltet. Der Marxismus-Leninismus wurde zur Staatsideologie.
Hindi
Manifest der Kommunistischen Partei. Moskau, Russland, 1973. Eine in Moskau erschienene Ausgabe in Hindi, gesetzt in der Schrift Devanagari, die zum Schreiben von Sanskrit und indischen Sprachen wie Hindi und Marathi verwendet wird.
Chinesisch
Gong chan dang xuan yan. Peking, China, 1961. 1921 wurde die Kommunistische Partei in China gegründet. Nach einem langjährigen Bürgerkrieg rief sie 1949 die Volksrepublik China aus. Unter Mao entstand eine eigenständige Interpretation des Marxismus, der die Erfahrungen des chinesischen Bürgerkriegs integrierte.
Japanisch
Kyōsantō sengen. Tokio, Japan, 1952. Im Verlag Shōkō Shoin erschienene japanische Ausgabe des Manifests in der ersten japanischen Übersetzung von 1904, vorgenommen durch die beiden japanischen Sozialisten Toshihiko Sakai (1871 – 1933) und Shūsui Kōtoku (1871 – 1911).
Englisch
Manifesto of the Communist Party. Chicago, USA, 1915. Der Herausgeber dieser amerikanischen Ausgabe, Charles Hope Kerr (1860 – 1944), war von den marxistischen Ideen überzeugt und unterstützte die Arbeiterbewegung und die sozialistische Partei Amerikas. Sein Verlag veröffentlichte viele Werke von Marx und Engels und machte sich zum Ziel, diese Schriften in den USA zu verbreiten.
Schon auf der Verkehrsampel grüßt Genosse Engels
Ausstellungsdetails
- Kabinettausstellung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch! – 175 Jahre Manifest der kommunistischen Partei“
14. März – 16. Mai 2023
Engels-Haus, Engelsstraße 10, 42283 Wuppertal
Öffnungszeiten: Montags geschlossen; Dienstag, Mittwoch: 10 – 18 Uhr; Donnerstag: 10 – 20 Uhr; Freitag, Samstag, Sonntag: 10 – 18 Uhr; Feiertage: 10 – 18 Uhr.
Eintritt ins Engels-Haus: 4,00 Euro
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Mit der Bahn bis Wuppertal Hbf. Über den Bahnhofsvorplatz gehen und mit der Schwebebahn fünf Stationen Richtung Oberbarmen bis Haltestelle Adlerbrücke fahren. Dann die Friedrich-Engels-Allee überqueren und man ist am Engels-Haus.
- 2022-01-27: „Das Kapital“ von Karl Marx erscheint auf Swahili – Förderung durch Rosa-Luxemburg-Stiftung
Weiterführender Link
Richard Schneider
Text der historischen Hinweise zu den einzelnen Manifest-Ausgaben: Engels-Haus