Die deutsche Sprachgesetzgebung im Kaiserreich

Die deutsche Nation hätte 2009 allen Grund zum Feiern (den sie freilich nicht nutzen wird). Sie wird 2000 Jahre alt, wenn man den Sieg der Germanen im Jahre 9 über die Römer als „Geburt der Deutschen“ bezeichnet, wie der Spiegel es vor Kurzem in einer Titelgeschichte getan hat (51/2008).

Die Sprache der Deutschen, das Deutsche, ist im Lauf dieser 2000 Jahre offenbar nie auf Verfassungsebene als Landessprache festgelegt worden. Auch in Zukunft wird dies nicht geschehen, wie eine kurz in den Medien aufflackernde Diskussion im Dezember 2008 gezeigt hat. (Anlass: Die Delegierten des CDU-Parteitags stimmten gegen den ausdrücklichen Willen der Parteiführung für einen Antrag, Deutsch als Landessprache in der Verfassung zu nennen.)

Dieser Umstand ist im Vergleich zu den Nachbarländern in Europa ein überaus merkwürdiges Kuriosum. Besitzen die Deutschen ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Sprache? Immerhin spielte diese erst sehr spät, nämlich mit dem Protestantismus, als Geschäfts- und Amtssprache neben dem Latein eine gewisse Rolle.

Welche gesetzlichen Regelungen gab es in vergangenen Jahrhunderten hinsichtlich der zu verwendenden Sprache? Oliver Dehn hat in einem Hauptseminarreferat einige interessante Fakten zu diesem Thema zusammengetragen. Der Titel: „Die deutsche Sprache als Rechtsgut: die Sprachgesetzgebung im Kaiserreich“. Er weist unter anderem auf Folgendes hin:

  • Der älteste auf die Sprache bezogene Rechtstext ist die „Goldene Bulle“ von 1356, die sich unter anderem mit der Frage befasst, welcher Sprache sich der Regent eines vielsprachigen Reiches befleißigen sollte. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (1157-1806) waren Latein und Deutsch Amtssprachen.
  • Beglaubigte Übersetzungen gibt es seit 1654. Die „Reichshofratsordnung“ aus diesem Jahr verlangt bei fremdsprachigen Eingaben: „… es soll dabei eine beglaubte, und von der Obrigkeit versiegelte und approbierte Translation in Teutscher oder lateinischer Sprach, stets mit producirt werden.“
  • Das Anfang des 18. Jahrhunderts in der feinen Gesellschaft überaus beliebte Französisch schaffte es nie, in der Staatsverwaltung Latein und Deutsch zu verdrängen und blieb eine vorübergehende Modeerscheinung.
  • 1876 verabschiedete Preußen für sein Staatsgebiet ein Geschäftssprachengesetz, das die ausschließliche Verwendung der deutschen Sprache im preußischen Verwaltungsapparat vorsah. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 schuf für den Bereich der Justiz klare Verhältnisse. § 186 bestimmte: „Die Gerichtssprache ist die deutsche.“ (Heute lautet der § 184 GVG: „Die Gerichtssprache ist deutsch.“) Das Reichspatentgesetz übernahm diese Regelung und legte sie in § 33 noch enger aus: „Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berücksichtigt.“

Den Volltext des Referats können Sie unter folgender Adresse aufrufen: www.grin.com/e-book/107392

[Text: Richard Schneider.]