BDÜ mahnt erneut gesetzliche Regelung für das Dolmetschen im Gesundheitswesen an

Elvira Iannone
Elvira Iannone - Bild: Eva Häberle

Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) begrüßt die vor wenigen Tagen auf dem 128. Deutschen Ärztetag in Mainz getroffenen Beschlüsse zum Dolmetschen im Gesundheitswesen.

Elvira Iannone, politische Geschäftsführerin des mit rund 7.500 Mitgliedern größten deutschen Sprachmittlerverbands, hat die Tagung teilweise vor Ort in Mainz verfolgt. Für sie kamen die mit klarer Mehrheit angenommenen Anträge nicht überraschend:

Entsprechende Beschlüsse wurden auch schon in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2021, 2022 und 2023 gefasst. Wobei das Thema überhaupt erst mit der Zuwanderungssituation ab 2015 stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rückte. Verständigungsschwierigkeiten in der Arzt-Patienten-Kommunikation aufgrund der Sprachbarriere bestehen aber schon seit mindestens der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

Nachdem sich Deutschland viel zu lange nicht als klassisches Einwanderungsland verstand – bzw. sich zum Teil bis heute nicht als solches sieht –, ist es vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des gravierenden Fachkräftemangels höchste Zeit, endlich zu handeln und für einen Zugang auch fremdsprachiger Berechtigter zum deutschen Gesundheitssystem zu sorgen.

Bereits im Vorfeld des Ärztetages hatte der Verband eine Erklärung veröffentlicht, in der die Bundesregierung an ihr im Koalitionsvertrag gegebenes Versprechen erinnert wird, die Kostenübernahme für das Dolmetschen im Gesundheitswesen gesetzlich klar zu regeln:

Dolmetschen im Gesundheitswesen: Immer noch kein Gesetz in Sicht

Zur Eröffnung des diesjährigen Deutschen Ärztetags (DÄT) heute reiste auch die Politische Geschäftsführerin des BDÜ Elvira Iannone nach Mainz. Wie der Verband so fordern auch die Ärztekammern in Deutschland seit Langem, das Dolmetschen im Gesundheitswesen sowohl im Hinblick auf die Qualitätssicherung als auch die Finanzierung gesetzlich zu regeln. Auch für dieses Jahr liegt ein entsprechender Beschlussantrag vor. Dies wäre auch ganz im Sinne des Schwerpunkts der viertägigen Versammlung: „Gesundheitsversorgung der Zukunft – mehr Koordination der Versorgung und bessere Orientierung für Patientinnen und Patienten“.

In seinem Grußwort zur Eröffnung stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die drängendsten Probleme des Gesundheitswesens sowie die Lösungsvorschläge seines Hauses vor. Dies sei die wichtigste Phase der aktuellen Legislatur. Vor diesem Hintergrund ist es umso bedenklicher, dass zu dem Versprechen der aktuellen Bundesregierung aus ihrem Koalitionsvertrag „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V“ immer noch kein Referentenentwurf vorliegt. Denn damit ein solches Gesetzgebungsvorhaben noch in dieser Legislaturperiode geordnet vonstattengehen kann, müsste ein erster Entwurf bis zur Sommerpause vorliegen. Der aktuelle Stand ist jedoch nicht bekannt.

Mit dem ersten – nicht öffentlichen – Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) vom 21.03.2024 sollten zwar auch sogenannte Gesundheitskioske eingerichtet werden, und dies bei Bedarf sogar fremdsprachig. Dieser niedrigschwellige Zugang zu Beratungsangeboten ist allerdings nach der Ressortabstimmung offenbar Bedenken aus dem Bundesfinanzministerium zum Opfer gefallen. Entsprechend finden sich die Passagen zu den Gesundheitskiosken nicht mehr in der überarbeiteten und durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlichten Version des Referentenentwurfs vom 12.04.2024.

Dies zeigt einmal mehr die bedenklichen Konsequenzen der Priorisierungen des Bundesfinanzministeriums: So wird ein für alle in Deutschland lebenden Menschen gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt, eine Entlastung des medizinischen Personals verhindert und letztlich auch die dringend nötige Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland erschwert. Seine Stellungnahme hat der BDÜ entsprechend angepasst und fristgerecht beim BMG eingereicht.

Zeit für Einlösung des Koalitionsversprechens drängt

Der BDÜ erinnert daher noch einmal an das Koalitionsversprechen. Wie dies unter den im Gesundheitswesen erforderlichen hohen Qualitätsanforderungen umgesetzt werden kann, hatte der Verband bereits im vergangenen Jahr in seinem Forderungspapier und seinem Modell für die praktische Ausgestaltung dargelegt.

Die Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung zur mehrsprachigen Kommunikation im Gesundheitswesen ergibt sich allein schon aus dem durch Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz vorgegebenen Diskriminierungsverbot: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Oder aus ärztlicher Sicht: „Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.“ (Genfer Gelöbnis)

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Richard Schneider