„Ein Prozess – Vier Sprachen“: Ausstellung in Hamburg zu Dolmetschern der Nürnberger Prozesse

Dolmetschteam
Eines der dreiköpfigen Dolmetschteams im Einsatz. Jeder hat einen Kopfhörer und ein Glas Wasser, aber es gibt nur ein Mikrofon und ein Dolmetschpult. Für das Simultandolmetschen im Gerichtssaal standen pro Sprache drei Dreierteams zur Verfügung, die sich abwechselten.

Sie waren junge Menschen aus Frankreich, England, der Sowjetunion und den USA. Sie waren Revolutionäre, Aktivisten, Flüchtlinge und KZ-Überlebende. Sie leisteten Unglaubliches und wurden von der Geschichtsschreibung dennoch vielfach übergangen oder schlicht vergessen.

Die Simultandolmetscher beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher leisteten an insgesamt 218 Verhandlungstagen Pionierarbeit auf ihrem Gebiet und ermöglichten die Kommunikation zwischen Richtern, Angeklagten und Zeugen.

Die vom Internationalen Verband der Konferenzdolmetscher AIIC bereitgestellte Sonderausstellung „Ein Prozess – Vier Sprachen“ stellt diese Dolmetscher des Nürnberger Prozesses, ihre Biografien und Leistungen in den Mittelpunkt.

Vom 20.11.2025 bis einschließlich 20.01.2026 können Besucher im Hamburger Auswanderermuseum BallinStadt mehr über die Anfänge des Simultandolmetschens erfahren; und darüber, wer diese Dolmetscher waren. Der Besuch der Sonderausstellung ist im Eintrittspreis zum Museum enthalten.

Dolmetschkabinen
Die vier offenen Dolmetschkabinen für die Verhandlungssprachen Englisch (vorne rechts), Russisch (vorne links), Französisch (hinten rechts) und Deutsch (hinten links). Deutlich zu erkennen ist, dass jede Kabine mit drei Dolmetschern besetzt war und dass den deutschen Dolmetschern die schlechtesten Plätze zugewiesen wurden.

Rahmenprogramm mit Vorträgen und Filmvorführungen

Ergänzt wird die Ausstellung, bei der neben den Biografien der Dolmetscher auch verschiedene Originalexponate aus der damaligen Zeit zu sehen sind, durch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Filmvorführungen. Dabei geht es nicht nur um die Geschichte des Dolmetschens, sondern auch um Gegenwart und Zukunft dieses Berufes.

  • 20.11.2025, 18:00 Uhr: Eröffnung
    Grußworte: Dr.Carsten Brosda (Senator für Kultur und Medien), Volker Reimers (Leiter des Auswanderermuseums), Julia Dolderer (AIIC Deutschland), Levan Totosashvili (Vorstand AIIC
    International), Elke Limberger-Katsumi (Kuratorin).
  • 22. November 2025, 16:30 Uhr: Dolmetschen vor nationalen und internationalen Gerichten nach Nürnberg
    Dr. Christiane Driesen, Vorsitzende des AIIC-Committee for Court and Legal Interpreting
  • 28. November 2025, 18:00 Uhr: Dolmetschen kann tödlich sein
    Linda Fitchett, Vorsitzende der AIIC-Arbeitsgruppe „Dolmetschen in Krisengebieten“, ehem. AIIC-Präsidentin, Dolmetscherin beim Europäischen Parlament i. R.; Marcus Grotian, Mitgründer und Vorsitzender des Patenschaftsnetzwerks Ortskräfte e.V.
  • 06. Dezember 2025 16:30 Uhr: Zwischen den Sprachen – Die Bedeutung des Übersetzens für die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in zwei Kurzvorträgen
    (1) Die Hamburger Curiohaus-Prozesse: Dolmetschen vor britischen Militärgerichten
    Alyn Šišić, Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen; Dr. Reimer Möller, Historiker, Schleswig
    (2) Übersetzung als „Erinnerungskultur“
    Dr. Georg Felix Harsch, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
  • 12. Dezember 2025, 18:00 Uhr: Das Streben nach dem guten Ton – Was Corona uns lehrte und die KI unbedingt braucht
    Matthias Haldimann, M.A. Konferenzdolmetschen, Geschäftsführer bei PRISMA Language Solutions GmbH, Aschaffenburg/Mannheim
  • 16. Januar 2026, 18:00 Uhr: Vielfalt? Ja bitte! Über Einwanderung, Mehrsprachigkeit und ihre Folgen für die Gemeinschaft
    Prof. Dr. Gogolin und Prof. Dr. Piller, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Forschungszentrum Literacy in Diversity Settings, Universität Hamburg
  • 20. Januar 2026, 18:00 Uhr: Alleskönner, Dünnbrettbohrer, Diplomat, Papagei – Erwartungen an Dolmetscher und Ansichten eines Praktikers
    Niels Hamdorf von language-matters GbR. Seit über vierzig Jahren freiberuflicher Konferenzdolmetscher, zunächst für die Organe der EU, seit 1990 für Bundes- und Landesministerien, die Medien und Auftraggeber aus Wirtschaft und Gesellschaft.
Gerichtssaal Nürnberger Prozesse
Der für die Kriegsverbrecherprozesse umgebaute Schwurgerichtssaal 600 am 30.09.1946: Auf der linken Seite vor den Wachsoldaten die beiden Reihen mit Angeklagten. An der hinteren Wand links die vier offenen Dolmetschkabinen, in der Mitte hinten der Zeugenstand, im Vordergrund das Pult für die Vertreter der Anklage bzw. Verteidigung, auf dem oben rechts gut die beiden Glühbirnen (eine gelbe und eine rote) zu erkennen sind, über die die Dolmetscher den Rednern anzeigen konnten, langsamer zu sprechen bzw. darauf aufmerksam machten, dass die Simultantechnik gerade ausgefallen war, was häufiger vorkam. Auf der rechten Seite das Podium mit den Richtern. Das Foto wurde von der oberen Pressetribüne aus geschossen.

Filmvorführungen jeweils 16:30 Uhr:

  • 29.11.2025: Zwischen Welten
  • 19.12.2025: Die Flüsterer
  • 09.01.2026: Der Nürnberger Prozess

(Nur mit Anmeldung unter Hamburg@1trial-4languages.org)

Zwei Wanderausstellungen zu Dolmetschern in Nürnberg

Es gibt zwei Wanderausstellungen zu den Dolmetschern der Nürnberger Prozesse, die beide seit mehr als zehn Jahren durch Deutschland und Europa touren:

  1. „Ein Prozess – Vier Sprachen“ von der AIIC.
  2. „Dolmetscher und Übersetzer beim Nürnberger Prozess 1945/46“ mit Aufnahmen des amerikanischen Militärfotografen Ray D’Addario, Kurator ist Dr. Theodoros Radisoglou vom BDÜ Bayern.

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red