Justitia Wuppertal
Die Justitia am Eingang des alten Rathauses von Wuppertal-Elberfeld. – Bild: Richard Schneider

Rechtssprache-Seminare

Nach dem am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) verlieren alle mehr als 25.000 bisher unbefristet gewährten allgemeinen Beeidigungen nach Ablauf der Übergangsfrist am 31. Dezember 2026 ihre Gültigkeit und müssen neu beantragt werden.

Das gilt auch für Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahrzehnten allgemein beeidigt für die Justiz tätig sind. Ein Bestandsschutz ist nicht vorgesehen.

Nachweis der Rechtssprache-Kenntnisse durch Zertifikat

Bei der Neubeantragung der Beeidigung, die künftig immer nur für einen Zeitraum von fünf Jahren gewährt wird, sind unter anderem „Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache“ nachzuweisen. Bisher galt diese Anforderung nur in einzelnen Bundesländern.

Der Nachweis kann durch ein Zertifikat erbracht werden, das verschiedene Anbieter nach einer bei ihnen absolvierten Schulung und bestandener Prüfung ausstellen.

Liste Anbieter Rechtssprache-Seminare

(1) IFA Erlangen: 480 Euro (Präsenz)

Weiterbildung „Deutsche Rechtssprache für Übersetzer und Dolmetscher“ an zwei Wochenenden (jeweils freitags und samstags) vor Ort am Institut für Fremdsprachen und Auslandskunde (IFA) bei der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit insgesamt 24 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Das Seminar findet in Erlangen statt und wird von Wolfgang Pelzl, Vorsitzender Richter am Landgericht Nürnberg-Fürth, durchgeführt.

(2) TDÜ: 490 Euro (Präsenz)

Rechtssprache-Seminare des Bundesverbands der Türkisch-Deutsch Dolmetscher und Übersetzer (TDÜ). Zweitagesseminar (samstags und sonntags) mit insgesamt 22 Unterrichtsstunden in Kleingruppen vor Ort in Dortmund, Hannover, Düsseldorf und Leverkusen. Referenten sind Murat Sap (Ass. iur. / LL.M.), Kübra Bahadır (Rechtsanwältin),
Cüneyt Akçınar (Ausbilder / Trainer).

(3) Dolmetscherschule Köln: 675 Euro (Online)

Die Dolmetscher- und Übersetzerschule Köln bereitet an drei Wochenenden (jeweils freitags und samstags) online auf die Prüfung vor. Der mündliche Teil der Prüfung wird ebenfalls online durchgeführt, die schriftliche Prüfung erfolgt vor Ort in Köln.

(4) Dr. Isabelle Thormann: 690 Euro (Online)

Die Online-Seminare für Dolmetscher und Übersetzer zum Erwerb des Zertifikats zum Nachweis sicherer Rechtssprache-Kenntnisse werden gemeinsam von zwei Dozentinnen durchgeführt: einer Anwältin und Notarin (Jana Hausbrandt) sowie einer Urkundenübersetzerin und Gerichtsdolmetscherin (Dr. Isabelle Thormann). Die Reihe besteht aus zwölf Modulen, die im Wochenrhythmus jeweils montags von 17:00 bis 19:00 Uhr gelehrt werden. Da die Module nicht aufeinander aufbauen, ist ein Einstieg jederzeit möglich. Die Gesamtkosten setzen sich aus dem Onlinekurs und der Prüfung zusammen (einzeln je 350 Euro, zusammen 690 Euro). Die Schulung kann als Fortbildung auch ohne Abschlussprüfung absolviert werden – für alle, die beruflich kein Zertifikat benötigen.

(5) Ahmet Yildirim: 695 Euro (Präsenz)

Zweitägige Wochenendseminare (samstags und sonntags) vor Ort in Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Dortmund, Frankfurt am Main, Saarbrücken und München. Referent ist Ass. jur. Ahmet Yildirim, der für die türkische Sprache beim Landgericht Hannover allgemein beeidigt und ermächtigt ist.

(6) BDÜ: 820 Euro zzgl. Prüfungsgebühr (Online)

Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) bietet eine Webinar-Reihe „Rechtssprache – Erwerb sicherer Kenntnisse der deutschen Rechtssprache“ an. Referent ist Ahmet Yildirim. Verbandsmitglieder zahlen einen reduzierten Preis von 710 Euro. Die Online-Schulung besteht aus 8 Terminen, die inhaltlich aufeinander aufbauen und jeweils mittwochs zwischen 16:00 und 17:30 Uhr stattfinden.

Auszug Gerichtsdolmetschergesetz

Die diesbezüglich relevanten Passagen im GDolmG lauten:

§ 3 Antrag auf allgemeine Beeidigung

(1) Als gerichtlicher Dolmetscher für eine Sprache oder mehrere Sprachen wird von der nach § 2 zuständigen Stelle auf Antrag allgemein beeidigt, wer
[…]
6. über die erforderlichen Fachkenntnisse in der deutschen und der zu beeidigenden Sprache verfügt.

(2) Über die erforderlichen Fachkenntnisse nach Absatz 1 Nummer 6 verfügt, wer über Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache verfügt […]
[…]
Die Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache können auch durch eine Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 und 2 nachgewiesen werden.

Ende 2026 dürfte es eng werden

Im Grunde benötigen alle rund 25.000 in der Gerichtsdatenbank eingetragenen Dolmetscher und Übersetzer früher oder später das hier angesprochene Rechtssprache-Zertifikat. Eine solche Menge ist aber von den Schulungsanbietern auch in den bis Fristende noch verbleibenden zweieinhalb Jahren kaum zu bewältigen.

Diejenigen Gerichtsdolmetscher, die Ende 2026 keinen Nachweis über Rechtssprache-Kenntnisse vorlegen können, werden ihre Beeidigung erst einmal verlieren. Das führt nicht zu einer Art Berufsverbot, aber zu einer Behinderung der Berufsausübung. Denn die Betroffenen müssen dann zu Beginn einer jeden Verhandlung ad hoc beeidigt werden. Außerdem dürfen sie sich nicht mehr auf Visitenkarten, Briefköpfen und Websites als „allgemein beeidigt“ bezeichnen.

Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz in Karlsruhe. – Bild: Udo Pohlmann / Pixabay

ADÜ Nord hat Verfassungsbeschwerde gegen GDolmG eingereicht

Der jetzt bundesweit einheitliche Nachweis über Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache wird von allen Verbänden für notwendig und sinnvoll erachtet. Die Verfassungsbeschwerde des ADÜ Nord richtet sich nicht gegen diese Maßnahme der Qualitätsförderung.

Und selbst falls die gegenwärtige Fassung des GDolmG wegen der zahlreichen schweren Mängel vom Bundesverfassungsgericht in Teilen oder insgesamt für nichtig erklärt werden sollte, wird der Nachweis von Rechtssprachekenntnissen auch in einer Neufassung des Gesetzes enthalten sein.

Fehlender Bestandsschutz, unnötige Befristung

Das Gerichtsdolmetschergesetz enthält aber andere Regelungen, die sich sowohl für die Dolmetscher als auch für die Justiz negativ auswirken werden.

Für den ADÜ Nord handelt es sich bei dem fehlenden Bestandsschutz und auch bei der nicht sinnvoll zu begründenden Befristung auf fünf Jahre um einen ungerechtfertigten, schweren Eingriff in die Berufsfreiheit. Denn die bereits bestehenden Beeidigungen wurden unbefristet erteilt (außer in Nordrhein-Westfalen) und können eigentlich nicht nachträglich für ungültig erklärt werden.

Wegen solcher Ungereimtheiten des überhastet von Dilettanten zusammengeschusterten Gerichtsdolmetschergesetzes hat der Verband Ende 2023 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine umfassend begründete Verfassungsbeschwerde eingereicht. Wann sich das Gericht damit befassen wird, steht noch nicht fest.

Bis dahin gelten die Bestimmungen des GDolmG für Neubeeidigungen und Erneuerungen schon heute in Nordrhein-Westfalen. Und nach dem Ende der Übergangsfrist am 31. Dezember 2026 in ganz Deutschland.

Sonderfall Nordrhein-Westfalen

In NRW haben wegen der bereits länger bestehenden Befristung auf fünf Jahre viele Gerichtsdolmetscher schon jetzt ihre Beeidigung verloren. Nämlich diejenigen, bei denen die Befristung nach dem 1. Januar 2023 abgelaufen ist. Denn für die turnusmäßige Erneuerung legen die Gerichte die Bestimmungen des neuen GDolmG zugrunde.

So werden zum Nachweis der sprachlichen und übersetzerischen Qualifikation Abschlüsse oder Prüfungen verlangt, die für die meisten bei Gericht tagtäglich benötigten Sprachen gar nicht abgelegt werden können.

Für Sprachen mit kleinerer Sprecherzahl wie Albanisch, Kurdisch, Paschtu oder Zulu existieren im gesamten deutschen Sprachraum weder Studiengänge noch Prüfungen. Auch für viele größere Sprachen bestehen nicht in allen Bundesländern Prüfungsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass diese oft nur ein- oder zweimal im Jahr angeboten werden.

Zahl der Gerichtsdolmetscher dürfte zurückgehen

Es wird befürchtet, dass die Zahl der allgemein beeidigten Gerichtsdolmetscher deutlich zurückgehen wird, obwohl sie dringend benötigt werden. Denn viele ältere Kolleginnen und Kollegen sind nicht bereit, nach jahrzehntelanger erfolgreicher Berufstätigkeit jetzt noch Prüfungen nachzuholen, die einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verursachen.

Richard Schneider
Stand: 2024-07-27