Ergebnisse des Verbmobil-Projekts landen „in Radios und Klimaanlagen der Mercedes-S-Klasse“

Unter der euphorischen Überschrift „Endlich: Computer übersetzen nicht nur, was wir sagen – sie verstehen uns auch noch“ berichtet die Wochenzeitung Die Zeit erstaunlich naiv und unkritisch über das Saarbrücker Verbmobil-Projekt.

Das Dolmetschsystem sei imstande, frei formulierte, spontane Sprache zu verstehen und zu übersetzen. Sogar die Sprachmelodie werde analysiert. Störende Nebengeräusche wie ein Räuspern würden erkannt und aussortiert. In einem Folgeprojekt wolle man auch Gestik und Mimik in die Analyse einbeziehen.

Der praktische Nutzen nach siebenjähriger Arbeit unter der Leitung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI): Der Prototyp laufe „mittlerweile so zuverlässig“, dass „einige Funktionen“ „schon“ zum Einsatz kämen: „zum Beispiel in den Radios und Klimaanlagen der Mercedes-S-Klasse oder in sprachgesteuerten telefonischen Informationssystemen“.

Lebhaft beschreibt die Autorin Karen Naundorf einen offenbar noch in ferner Zukunft liegenden, denkbaren Praxiseinsatz:

Wenn also ein japanischer Geschäftsreisender, nennen wir ihn Herr Tsuboi, in Frankfurt landet, kann er problemlos sein Hotel finden. Herr Tsuboi ruft von seinem Handy aus Verbmobil und eine Taxizentrale an. Verbmobil stellt eine telefonische Dreierkonferenz her. Nun kann Herr Tsuboi auf Japanisch erklären, wohin die Reise gehen soll, die Dame in der Taxizentrale hört die deutsche Übersetzung und antwortet Herrn Tsuboi auf Deutsch, was dieser wieder auf Japanisch hört.

Projektmanager Reinhard Karger erklärt allerdings, dass es nur wenige, eng umgrenzte Einsatzgebiete gibt: „Das lexikalische Wissen von Verbmobil beschränkt sich auf drei Themenfelder mit 10.000 Wörtern: Hotelreservierung, Reiseplanung und Terminverhandlung.“ Verbmobil werde noch nirgendwo vollständig eingesetzt, weil die Lizenzinhaber der verschiedenen Module ihre Rechte bisher nicht zusammengelegt hätten.

Bereits seit 1993 basteln die Wissenschaftler im Auftrag des Bundesforschungsministeriums am Verbmobil-Prototyp. Ziel war auch, „Deutschland in diesem Jahrtausend eine internationale Spitzenposition in der Sprachtechnologie und ihrer wirtschaftlichen Umsetzung zu sichern“.

An dem Projekt waren mehr als ein Dutzend Universitäten sowie Unternehmen wie Alcatel, CAP Debis, Daimler-Benz, IBM, Philips und Siemens beteiligt. Mehrfach hat man den Stand der Forschungen auf der CeBIT präsentiert. Die Ergebnisse wurden in mehr als 370 Publikationen dokumentiert. Im Juli 2000 wurde das Projekt mit einem festlichen Symposium im Saarbrücker Schloss abgeschlossen.

Und was hat der Spaß nun gekostet? Diese Frage scheint die Zeit-Redakteurin nicht zu interessieren. Das Internet-Angebot des DFKI nennt folgende Zahlen: In Phase 1 (1993–1996) standen 64,9 Mio. Mark Steuergelder plus 31 Mio. Mark aus der Industrie zur Verfügung. In Phase 2 (1997–2000) kamen noch einmal 52,9 Mio. Mark staatliche Fördergelder hinzu. Insgesamt wurden also rund 150 Mio. Mark ausgegeben.

Projektleiter Wolfgang Wahlster wurde inzwischen für den vom Bundespräsidenten verliehenen „Deutschen Zukunftspreis“ nominiert. Die Dotierung: 500.000 Mark. Die Preisverleihung findet kommenden Donnerstag statt. Das ZDF sendet am Tag darauf einen Bericht über die Veranstaltung (Freitag, 30.11.2001, 22.15–22.45 Uhr).

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[Richard Schneider. Quelle: Die Zeit, DFKI. Bild: DFKI.]