Saddam-Interview mit fünf Dolmetschern – Voiceover-Sprecher täuscht Akzent vor

Saddam Hussein, Dan Rather
Dan Rather zu Gast in Bagdad bei Saddam Hussein. Zwischen ihnen sind die beiden irakischen Dolmetscher zu sehen. - Bildschirmfoto

TV-Urgestein und Chefmoderator Dan Rather (71) vom US-Fernsehsender CBS ist es gelungen, für die Sendung „60 Minutes“ das wohl letzte große Interview mit Saddam Hussein (65) zu arrangieren. Dabei traten Vertreter unserer Berufsgruppe wie so oft als anonyme Randfiguren im Zentrum des Zeitgeschehens auf.

Das Gespräch fand in einem Palast des irakischen Präsidenten in Bagdad statt. Kameraleute, Tontechniker und die beiden Sprachmittler wurden von irakischer Seite gestellt. Der eine Dolmetscher übertrug die Fragen Rathers ins Arabische, der andere die Antworten Husseins ins Englische. Die Namen der beiden wurden nicht genannt.

Bei dem grauhaarigen Dolmetscher handelt es sich um Sadun Al-Zubaydi, wie UEPO.de später herausgefunden hat. Dieser hat in Oxford studiert und lehrte englische Literatur an der Universität Bagdad, bevor er ins Außenministerium wechselte.

Saddam korrigiert Dolmetscher

Bei einer Gelegenheit zeigte der irakische Staatschef, der offenbar etwas Englisch versteht, dass er die Worte seiner Dolmetscher genau verfolgt. Als einer den ehemaligen Präsidenten George Bush einmal nur als „Bush“ bezeichnete, wurde er von Saddam unterbrochen und darauf hingewiesen, dass er „Mr. Bush“ hätte sagen sollen. Dies sei eine Sache des Respekts.

Einen Tag nach dem Interview übergaben die Iraker das Video an CBS. Der Sender prüfte das Band und stellte fest, dass das Interview vollständig aufgezeichnet und kein Passus entfernt wurde. Dann wurden „drei renommierte Arabisch-Übersetzer“ damit beauftragt, voneinander unabhängig Husseins Antworten noch einmal neu ins Englische zu übersetzen. Ergebnis: Die Erstübersetzung der irakischen Dolmetscher war vollständig und ohne Fehler.

Saddam Hussein
Saddam Hussein blieb angesichts des unmittelbar bevorstehenden Angriffskriegs der USA auf sein Land sachlich und gelassen. Anders als vom amerikanischen Präsidenten behauptet, besitze sein Land keine chemischen oder biologischen Massenvernichtungswaffen. – Bildschirmfoto

Voiceover-Sprecher täuscht arabischen Akzent vor

Als das Interview schließlich ausgestrahlt wurde, fiel den Zuschauern jedoch auf, dass die englische Stimme des irakischen Präsidenten einen arabischen Akzent hat. Viele glaubten, einen der irakischen Dolmetscher zu hören, der grammatikalisch korrekt, aber mit deutlichem Akzent die Übersetzung vorträgt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Los Angeles Times hat inzwischen herausgefunden, dass es sich bei dem Sprecher um den von CBS angeheuerten Übersetzer und Synchronsprecher Steve Winfield handelt. Dieser beherrscht seine Muttersprache Englisch völlig akzentfrei. Die arabisch klingende Aussprache täuschte er lediglich vor – allerdings durchaus gekonnt. Kein Wunder, denn die Spezialität des Synchronsprechers Winfield sind Rollen mit ausländischem Akzent.

Hier ein kurzes Tonbeispiel für den vorgetäuschten Akzent aus dem Interview mit Saddam Hussein:

Winfield arbeitet als Übersetzer und Synchronsprecher

Auf der Website seines früheren Arbeitgebers, der Agentur „Fabulous Voices“, heißt es, Winfield sei in der Lage, Aufnahmen auf Spanisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Deutsch anzufertigen. Darüber hinaus habe er 20 Jahre lang als Übersetzer in New York „Projekte in einer Vielzahl von Sprachen geleitet, darunter Chinesisch, Japanisch, Pandschabisch, Ungarisch, Schwedisch, Russisch und Tschechisch“.

Winfield hat für das Fernsehen unter anderem Werbefilme vertont, in denen er je nach Produkt einen deutschen, französischen oder lateinamerikanischen Akzent imitiert. Beispiele dafür hat auf seiner Website gespeichert.

Eine CBS-Sprecherin erklärte, Winfield sei von einem Übersetzungsbüro vermittelt worden. Sie wisse nicht, ob dieser Arabisch spreche.

Dan Rather
Dan Rather hatte zehn Jahre zuvor bereits einmal ein Exklusiv-Interview mit Saddam Hussein geführt. – Bildschirmfoto

„CBS News hiring someone to fake an accent“

Das Vorgehen des Senders stieß in der amerikanischen Medienbranche auf heftige Kritik. Die Los Angeles Times schreibt:

But in an environment in which many inside and outside the media business worry about the blurring of the lines between news and entertainment, the notion of CBS News hiring someone to fake an accent has met with some gasps, a few laughs and a lot of puzzlement.

Sprecher der Konkurrenzsender CNN, NBC und ABC erklärten auf Anfrage, sie würden in ihren Nachrichtensendungen nicht zulassen, dass jemand „einen Akzent vortäusche“. Ein früherer Topmanager des amerikanischen Fernsehens, der nicht genannt werden wollte, bezeichnete das Vorgehen von CBS als „bizarr“. In seinem eigenen Sender hätten die Übersetzer ihre Stimme nie verstellt.

Randbemerkung von UEPO.de: Zumindest in Bezug auf CNN ist das nicht zutreffend. Uns sind auf dem Sender schon mehrfach mit künstlichem Akzent übersprochene Interviews aufgefallen. Meist im Rahmen von Reportagen bei Gesprächen mit „kleinen Leuten“ auf der Straße irgendwo in Südamerika.

Saddam Hussein, Dolmetscher
Der Dolmetscher links im Bild wurde von Saddam korrigiert, weil er Saddams „Herr Bush“ einfach mit „Bush“ übersetzt hatte. Das sei eine Frage des Respekts, so Saddam, den er auch seinen Feinden gewähre. – Bildschirmfoto

„recorded […] in a voice compatible with the piece“

CBS weigerte sich, die Angelegenheit mit dem Fake-Akzent näher zu diskutieren und gab lediglich eine schriftliche Stellungnahme ab:

CBS News employed three independent and respected Arabic translators to provide a 100% accurate translation of the interview. A fourth such translator recorded the actual audio in a voice compatible with the piece. The ’60 Minutes II‘ report conveyed a fully accurate translation of the interview that was in complete compliance with CBS News Standards.

Allerdings ist CBS offenbar inzwischen klar geworden, dass der Griff zu diesem Stilmittel aus der Unterhaltung ein Fauxpas war, der das Vertrauen in die Nachrichtenkompetenz des Senders nicht gerade erhöht hat.

Saddam Hussein
Saddam bekräftigte, dass er nicht ins Exil gehen, sondern im Irak bleiben werde. Wenn seinem Land der Krieg erklärt werde, werde er „hier in diesem Land sterben“. – Bildschirmfoto

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Richard Schneider