„Wir waren im Blindflug“ – Klaus Fritz zur Übersetzung der Potter-Bände

Harry Potter und der Orden des Phönix
Bild: Carlsen
Klaus Fritz
Klaus Fritz – Bild: Carlsen

Auch Klaus Fritz (44), der deutsche Übersetzer der Harry-Potter-Bände, erhielt den Ausgangstext von Band 5, Harry Potter und der Orden des Phönix, erst am 21. Juni 2003, als die englische Originalausgabe auf den Markt kam. Ende September musste er die Übersetzung abgeben, die am 8. November in die Buchläden kam. Für die 766 Druckseiten der Originalausgabe standen ihm nur 14 Wochen zur Verfügung.

In dieser Zeit wurde er vom Verlag abgeschirmt. Aufenthaltsort und Telefonnummer wurden nicht verraten, Interviewanfragen grundsätzlich abgelehnt. Inzwischen wurde bekannt, dass Fritz den fünften Band in Tübingen übersetzt hat. Die früheren entstanden in Berlin.

Fritz hat Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert. Anschließend fing er an, Sachbücher zu übersetzen. Er hatte gerade eines fertig gestellt, als er 1996 gebeten wurde, Probeseiten für Harry Potter zu übersetzen. Von den üblichen Verdächtigen unter den Kinderbuchübersetzern hatte gerade niemand Zeit, und so musste Gabriele Leja, Lektorin des Carlsen Verlags, es mit jemandem wagen, für den Kinderbücher Neuland waren.

Rückblickend war dies gar nicht so schlecht, denn Harry Potter braucht jemanden, der die vielen Einzelheiten der Zauberwelt präzise durchdenkt. Jemand, der nicht bereits durch den oft allzu lieben Kinderbuch-Jargon verdorben ist.

Harry Potter und der Orden des Phönix
Bild: Carlsen

„Wir waren im Blindflug“, sagt er über die Arbeit am ersten Band. Denn dort mussten übersetzerische Entscheidungen getroffen werden, die Auswirkungen auf alle weiteren Bände haben würden. Er beschloss, die Eigennamen der Personen möglichst in der englischen Form zu belassen, die selbsterklärenden Namen der Wesen und Dinge aus der Zauberwelt dagegen ins Deutsche zu übertragen. „Escapators“ übersetzte er mit „Trolltreppe“, „boggart“ mit „Irrwicht“.

Heftiger Kritik von Potter-Fans sah sich Fritz beim dritten Band ausgesetzt. Aufmerksame Leser hatten deutliche Abweichungen vom Original entdeckt und im Internet darauf hingewiesen. Ganze Absätze fehlten. Doch Fritz war unschuldig. Der britische Verlag hatte kurz vor dem Druck des Originals kleinere Änderungen angebracht, diese aber nicht an den deutschen Lizenznehmer weitergemeldet.

Auf einer Lesung in Tübingen fragten ihn Kinder, ob ihm das Übersetzen Spaß mache. „Na klar“, antwortete Fritz. „Sonst würde ich das ja nicht jedes Jahr machen.“

Die ersten vier von Fritz übersetzten Bände haben sich 15,5 Millionen Mal verkauft. Laut Berliner Zeitung ist er am Umsatz beteiligt. In welcher Höhe dies der Fall ist, will der Verlag aber nicht verraten.

Richard Schneider