Das Goethe-Wörterbuch ist gegenwärtig eines der umfangreichsten deutschen Wörterbuchprojekte neben dem Deutschen Rechtswörterbuch. Es ist ein individualsprachliches Bedeutungswörterbuch, das den gesamten Wortschatz Goethes in alphabetischer Anordnung darstellt. Auf der Grundlage von rund drei Millionen Archivbelegen zu gut 90.000 Stichwörtern analysiert es deren Gebrauchsweisen in systematisch gegliederten Artikeln mit ausgewählten Belegzitaten.
„Das Goethe-Wörterbuch ist nicht nur ein Instrument der Goethe-Forschung“, so Dr. Rüdiger Welter von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, „es ist vielmehr eine besondere Informationsquelle für unsere Wissenschafts- und Kulturgeschichte, speziell auch für Begriffs- und Ideengeschichte ab dem 18. Jahrhundert.“ Denn viele botanische, mineralogische, chemische, physikalische oder amtssprachliche Stichworte werden hier in neuartigen Kontexten belegt.
Ende November 2005 ging probeweise eine Internetversion des Wörterbuchs online – und die Zugriffszahlen sprengten alle Erwartungen. „Eine solch enorme Resonanz hätten wir nicht erwartet“, zeigt sich Forschungsstellenleiter Welter erstaunt. „Allein im ersten Quartal verzeichneten wir rund 17.500 Zugriffe und der Trend zeigt zu Beginn des zweiten weiter nach oben. Sollte das zweite Quartal diese Entwicklung bestätigen, wären unsere Erwartungen bei weitem übertroffen.“
Genutzt wird das Goethe-Wörterbuch, wie die Rückmeldungen zeigen, nicht nur von Sprachwissenschaftlern, Lexikographen oder Historikern, sondern auch von Journalisten, Ahnenforschern und sogar Werbeagenturen. Auf der Suche etwa nach treffenden Zitaten scheint es sich im Internet zu einer Quelle für jedermann zu entwickeln. Eine Hauptzielgruppe sind und bleiben jedoch Forscher und Studenten der Geisteswissenschaften.
„Die aufwendige Ausleihe oder der Besuch einer Bibliothek entfällt, wenn eine zitationsfähige Online-Version verfügbar ist. Gerade auch für ausländische Nachwuchswissenschaftler ist dies von zunehmender Bedeutung“, so Welter.
Mittlerweile sind rund 30.000 Einträge recherchierbar. Die Benutzung des Goethe-Wörterbuchs ist unentgeltlich, die Programmierung wird in Kooperation mit dem „Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften“ an der Universität Trier durchgeführt.
Gegründet wurde das Goethe-Wörterbuch im Jahre 1946 durch den Altphilologen Wolfgang Schadewaldt; es wird seitdem in drei Forschungsstellen durch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die Berlin-Brandenburgische sowie die Göttinger Akademie der Wissenschaften erarbeitet. Der Sitz der baden-württembergischen Arbeitsstelle ist Tübingen, vier Mitarbeiter werten hier Goethes Werk aus und bereiten es für die Forschung auf.
Nun stehen die ersten drei der bislang vier publizierten Bände des Wörterbuchs im Internet, der vierte soll im Laufe des Jahres folgen. Bis 2025 soll das Goethe-Wörterbuch vollständig abgeschlossen sein, es ist damit eines der bedeutendsten Grundlagenforschungsprojekte der deutschen Geisteswissenschaften.
Weiterführender Link
Dr. Johannes Schnurr / Heidelberger Akademie der Wissenschaften