Joyride with Helga: „Let’s go shlalom!“ – VW wirbt in USA erfolgreich mit deutschen Klischees

VW-Logo

Volkswagen hat in Deutschland das Image eines biederen Autobauers, in dessen langweiliger Produktpalette nur alle zehn Jahre mal ein genialer Wurf zu finden ist (Käfer, Bus, Scirocco, Golf, New Beetle). Entsprechend hausbacken kommt auch die Werbung daher. Aspekte wie Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit stehen im Vordergrund.

Noch schlimmer sah es in den letzten Jahren in den USA aus. Dort floppte nicht nur die Werbung, sondern Qualitätsmängel an den Autos ließen den Absatz von 356.000 im Jahr 2001 auf 224.000 im vergangenen Jahr abstürzen. Alarmstufe rot bei VW of America. Köpfe rollten.

In Abstimmung mit der Konzernleitung in Deutschland wurde im Dezember 2005 eine neue Werbeagentur angeheuert: Crispin Porter + Boguski aus Miami, die bereits erfolgreich den BMW Mini beworben hatte. Die Werber entwickelten für VW unter anderem eine freche, witzige und politisch unkorrekte Werbekampagne für den 200 PS starken „VW GTI Mk V“ (Golf GTI V), die gekonnt mit Deutschland-Klischees und der deutschen Sprache spielt.

Mischung aus „Krankenschwester, Fetischmodel, Domina und Elke Sommer“

Helga, VW-Kampagne
Eine Beifahrerin wie Helga wünscht sich jeder GTI-Fahrer. Das zeigen die Kommentare in diversen Online-Foren der amerikanischen Tuning-Szene.

Star der Kampagne ist Helga, eine Mischung aus „Krankenschwester, Fetischmodel, Domina und Elke Sommer“. Sie begleitet in Werbespots potenzielle Kunden auf eine Probefahrt, erläutert die Vorzüge des Autos, legt Wagner-Musik auf und erteilt mit deutschem Akzent Anweisungen: „Put your hands on ze stick and let’s go shlalom!“, „Mach schnell!“, „Not bad … you could rock ze autobahn.“, „I am schwitzing.“, „We do it again, ja?“.

In anderen Spots „un-pimpt“ sie mit ihrem Kollegen Wolfgang, einem Entwicklungsingenieur, die geschmacklos und übertrieben aufgemotzten japanischen Kleinwagen („rice rockets“) der amerikanischen Jugendlichen. Als Gegenentwurf wird der nüchtern-asketisch wirkende, aber technisch überlegene GTI präsentiert – „pre-tuned by German engineers“.

Die integrierte Kampagne (Print, TV, Online) wurde bewusst mit „viralen“ Elementen ausgestattet. Die Werbebotschaft soll sich von selbst wie ein Computervirus verbreiten. Die Weitergabe von Fotos, Videos, Soundclips und Klingeltönen ist deshalb ausdrücklich erwünscht und Teil des Konzepts.

VW-Banner
„Fast as schnell“ kann von jedem amerikanischen Jugendlichen als „fast as hell“ interpretiert werden.

Griffige Slogans wie „Fast as schnell“, „German engineering in da haus“, „Representin‘ Deutschland, yo“ und „Auf Wiedersehen, sucka“ werden auf Plakaten und Werbebannern präsentiert und kommen in Clips vor, die über Videoportale wie YouTube verbreitet werden. Allein die Clips sind nach Angaben der Werbeagentur insgesamt bereits vier Millionen Mal angeklickt worden.

VW-Banner "Auf Wiedersehen, sucka"
„Auf Wiedersehen, sucka!“ – Mit dem Golf GTI fährt man jeder aufgemotzten „Reisschüssel“ davon.

In Veralberung der Hip-Hop-Gestik schuf die Agentur zudem das VW-Handzeichen (gesprochen [vi:dab]), bei dem mit den Händen das bekannte VW-Logo nachgebildet wird. Helga erhielt auf MySpace.com eine eigene Seite, auf der sie den Amis die Welt erklärt: „The germans make better cars, and better roads: No speed limits.“

Faschistoide Ästhetik mit frauenfeindlichen und rassistischen Untertönen?

Helga, VW-Zeichen
Helga macht das VW-Zeichen.

Einigen gefiel diese Werbung nicht. Sie sei unter dem Niveau von Volkswagen, hieß es. Auch die politisch Korrekten meldeten sich zu Wort und sprachen von faschistoider Ästhetik mit frauenfeindlichen und rassistischen Untertönen. („Rassistisch“, weil sich die YouTube-Videos über japanische „Reisschüsseln“ lustig machen und in einem Clip der Wagen eines Schwarzen zerstört wird?) Focus.de schrieb unter der Überschrift „Peinliche Wolfsburger“: „[Helgas] Vokabular, die Ästhetik des Films und seine Musik wirken fast faschistoid.“ Die Werbeagentur hat’s gefreut – VW war auf einmal wieder in aller Munde.

Die Kritiker sind inzwischen verstummt, denn die Zielgruppe ist begeistert und Helga Kult. Die Werbebranche feiert die Kampagne wegen der optimalen Einbindung des Internets. Und VW ist glücklich, weil der Erfolg in Zahlen messbar ist.

Helga auf Waterfest 2006
Die cleveren Werber haben Helga nicht nur auf YouTube, sondern auch im echten Leben auftreten lassen, was die amerikanischen VW-Fans begeisterte. Das „Waterfest“ in Englishtown (New Jersey) ist mit 20.000 Besuchern das größte Volkswagen-Motorsport-Festival der USA. Die in Sozialen Medien zahlreich veröffentlichten Selfies steigerten die Reichweite der Kampagne erneut.

Werbeaktion hat VW-Umsatz nachweislich stark angekurbelt

Der GTI-Absatz lag schon im ersten Monat 80 Prozent über den Erwartungen. Die Verkaufszahlen von VW insgesamt liegen 20 Prozent über denen des Vorjahres. „The only thing VW is doing different is advertising“, sagt der Vorsitzende der Vereinigung der VW-Vertragshändler. „The product is the same. It has to be related to advertising.“

Gelungene Kampagne wurde in Cannes ausgezeichnet

In Cannes, wo alljährlich die Werbe-Oscars vergeben werden, ist die GTI-Kampagne im Sommer 2006 mit einem „Cyber Lion“ ausgezeichnet worden.

Helga heißt im richtigen Leben Sonja Wöstendiek (im Ausland Zonja Woestendiek), stammt aus Hamburg und arbeitet als Model („1,75, 86-61-89“). Wolfgang wird von dem schwedischen Schauspieler Peter Stormare (53) verkörpert, der unter anderem im Kinoerfolg „The Big Lebowski“ zu sehen war.

VW-Banner: "Representin' Deutschland, yo."

Richard Schneider