Nach der Entführung von zwei Deutschen im Irak wurden über eine islamistische Website zwei Videos verbreitet. Eines von den Entführern selbst und wenig später ein weiteres von islamistischen Trittbrettfahrern. Darin wird Deutschland und Österreich mit Konsequenzen gedroht, falls die Länder ihre Soldaten nicht aus Afghanistan zurückziehen. Deutschland hat mehrere Hundert, Österreich lediglich vier Soldaten am Hindukusch stationiert.
Das zweite Video enthält eine Mitteilung in arabischer Sprache, die deutsch untertitelt ist. Der Sprecher des österreichischen Innenministeriums spricht von einer originalgetreuen Übersetzung, sieht aber keine Möglichkeit, der Übersetzer habhaft zu werden. Die Presse schreibt:
Experten hätten auch die deutsche Übersetzung des Videos analysiert und festgestellt, dass diese „bis auf einige Kleinigkeiten“ mit dem arabischen Text übereinstimme. Rückschlüsse auf die Herkunft der Übersetzer habe man jedoch nicht ziehen können, sagte der Sprecher.
In den Tagesthemen des deutschen Fernsehens kommt ein des Arabischen mächtiger Experte zu Wort, der erklärt, der Sprecher im Video trage seinen Text in „lupenreinem Hocharabisch“ vor, das in den Untertiteln „ganz hervorragend“ ins Deutsche übersetzt worden sei. Er äußert die Vermutung, dass die Übersetzung im deutschsprachigen Raum oder von Arabern vorgenommen wurde, die hier studiert oder lange hier gelebt haben. In Frage kommen auch Einwanderer der zweiten oder dritten Generation.
Schon seit Jahren liefern islamistische Terrorgruppen ihre Videobotschaften mit Untertiteln in der Sprache des jeweiligen Ziellandes aus. In der ersten Zeit nach dem 11. September 2001 hatte die Terrorbranche diese wichtige Arbeit noch feindlichen Geheimdiensten und Medien überlassen. Diese verfälschten die Textaussage jedoch gelegentlich zuungunsten der Autoren, so dass die ohnehin multinational und mehrsprachig organisierten Islamisten schließlich den Entschluss fassten, die Botschaften künftig „firmenintern“ zu übersetzen. Bisheriger Höhepunkt war 2004 eine Ansprache von Osama bin Laden, die professionell in sechs Sprachen untertitelt war.
Übersetzer, die sich auf diese Weise für die „Völkerverständigung“ engagieren, gehen ein hohes Risiko ein. Das Übersetzen und Dolmetschen für kriminelle Auftraggeber gilt als Beihilfe und wird gerade im Zusammenhang mit Terrorismus entsprechend drakonisch bestraft.
Experten gehen davon aus, dass es sich bei den Entführern der beiden Deutschen in Afghanistan um gewöhnliche Kriminelle handelt, die der in Afghanistan und im Irak boomenden Kidnapping-Industrie angehören. Deutschland gilt als leichtes und lohnendes Opfer, da die regierenden Politiker erpressbar sind und über zwischengeschaltete Mittelsmänner und neutrale Organisationen letztendlich immer zahlen.
Mit dem jetzt von einer anderen Gruppe nachgeschobenen zweiten Video versuchten sich Islamisten als Trittbrettfahrer, heißt es.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Die Presse, 2007-03-11; Tagesthemen, 2007-03-12; Spiegel, 2007-03-12. Bild: Stimme des Kalifats, Al Kaida.]