Zweiter Tag des FIT-Weltkongresses

Der Plenarvortrag (oder neudeutsch die „Key note“) von Wu Jianmin, dem früheren chinesischen Botschafter in Frankreich und ehemaligen Präsidenten der chinesischen Universtität für Auslandsangelegenheiten (Chinese Foreign Affairs University) beschäftigte sich mit der Rolle von Übersetzern und Dolmetschern als Kulturmittler. Sie müssten nicht nur herausragende Linguisten sein, sondern es sei sogar noch wichtiger, dass sie die Vielfalt der Kulturen akzeptieren und das interkulturelle Verständnis fördern.

„Der interkulturelle Austausch ist noch nie so umfangreich gewesen, und Sprachmittler sind ein unverzichtbarer Teil dieses Austausches“, sagte Wu, der zwischen 1959 und 1971 als Dolmetscher für Mao Zedong, Zhou Enlai und andere chinesische Politiker gearbeitet hat. Allerdings sei die Welt in den letzten Jahrhunderten stark von den westlichen Kulturen dominiert gewesen und der Westen sei weit davon entfernt, die orientalische Kultur zu verstehen. Auch hier komme den Sprachmittlern eine Sonderrolle als „Grenzarbeiter“ zu, die die Kommuninkation über kulturelle Barrieren hinweg ermöglichen.

Der chinesische Übersetzerverband TAC hat auf dem Kongress sein professionelles Qualifizierungssystem für Sprachmittler vorgestellt, das im Jahr 2003 eingeführt wurde. Es gibt „assistant translators“, „translators“ und „senior translators“, damit Auftrag- und Arbeitgeber gleich einen klaren Eindruck von den Fähigkeiten eines Bewerbers haben und die Bezahlung entsprechend festlegen können. Für die untere und mittlere Qualifikation muss eine Prüfung der Übersetzungs- und Dolmetschfähigkeiten abgelegt werden; für die höchste Qualifikation müssen neben einer schriftlichen Prüfung Erfahrung und geleistete Arbeiten nachgewiesen werden. Der Verband hat inzwischen etwa 11.000 von 61.000 Bewerbern für die untere und mittlere Qualifikationsstufe aufgenommen. Ende dieses Jahres werden die ersten „Senior Translators“ das System vervollständigen.

Gegenwärtig gibt es keine Ausbildungsvorschriften für Übersetzer, was zu großen Unterschieden in Service und Qualität führt, wie Huang Youyi, Generalsekretär der TAC und wiedergewählter Vizepräsident der FIT, bemerkte. „Die Leute scheinen zu glauben, dass jeder, der eine fremde Sprache kann, auch einfach als Übersetzer arbeiten kann.“ – Tja, einige Dinge sind wohl doch in allen Kulturen gleich!

Der FIT-Weltkongress dauert noch bis Donnerstag dieser Woche an. Es ist übrigens das erste Mal in der über 50-jährigen Geschichte der FIT, dass dieser Weltkongress in Asien abgehalten wird.

[Text: Helke Heino. Bild: FIT.]