Es ist keine leichte Aufgabe, ausländische Fernsehserien zu synchronisieren. Besonders schwer haben es die Übersetzer von Kultserien wie Star Trek, denn die Fangemeinde protokolliert gnadenlos jeden Übersetzungsfehler wie diesen hier:
„Was ist das für ein Mist, den ich da sehe?“ Diese Frage stellt Beverly Crusher dem Computer, als sie in der TNG-Folge „Das Experiment“ auf ihrem Bildschirm einen nebelartigen Dunst im Weltraum erblickt. Im Original fragt sie: „What’s that mist I’m seeing there?“ (Englisch mist = Deutsch Nebel).
Krasser Fehler im Vorspann der deutschen Fassungen
Die erste deutsch synchronisierte Folge von „Raumschiff Enterprise“ wurde vom ZDF am 27. Mai 1972 ausgestrahlt – mit einem krassen Fehler im Vorspann. Dort heißt es: „Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“
Kirk und Spock haben unsere Galaxie aber nie verlassen, weil sie es nicht konnten. Für eine Reise zum Rand der Milchstraße hätte auch die Enterprise trotz Warp-Antrieb rund 300 Jahre gebraucht.
Im englischen Ausgangstext kommt das Wort „Galaxie“ überhaupt nicht vor. Hier heißt es einfach: „… to boldly go where no man has gone before.“
Synchronisationsgeschichte ist Zeitgeschichte
Im Lauf der Jahrzehnte hat sich der Stil der Synchronisation verändert. In den 1970er Jahren wurde übertrieben locker und flockig übersetzt. (Bernd Schneider auf der Website „Ex Astris Scientia“: „Im Original hat Kirk zu einem Außerirdischen nie so etwas wie ,Mach dir mal nicht ins Hemdchen‘ gesagt.“) Heute ist der Stil eher spröde. („Seven of Nine spricht im Deutschen gestelzt wie eine pensionierte Oberverwaltungsdirektorin: ‚Die Kinder wünschen an dieser Aktivität zu partizipieren.‘“)
Übersetzungsfehler durch mangelnde Sachkenntnis
Manche Schnitzer sind darauf zurückzuführen, dass sich die Übersetzer in der Star-Trek-Welt nicht auskennen. So wird die Anweisung „lower the forcefield!“ mit „Verringern Sie das Kraftfeld!“ eingedeutscht, obwohl es – wenn man weiß, was gemeint ist – hier nur „Senken Sie das Kraftfeld!“ heißen kann. Ein weiteres Beispiel: Die Maßeinheit „microns“, also simple „Mikrometer“, wird in einigen TNG-Folgen mit „Mikronen“ übersetzt.
Fehler im Skript durch Übersetzer korrigiert
Vereinzelt wurden aber auch Fehler im Original durch die Synchronisation korrigiert. So kommen Kirk und Spock bei einer Verfolgungsjagd an eine Tunnelgabelung. Kirk deutet nach rechts und sagt im Original zu Spock, er solle nach links gehen. Dann weist er nach links und sagt, dass er selbst in den rechten Gang laufen werde. Die Übersetzer sorgten dafür, dass sich William Shatner mit seiner Rechts-links-Schwäche nicht beim deutschen Publikum blamierte.
Motive für Übersetzung der Eigennamen bleiben rätselhaft
Zur Übersetzung der Eigennamen schreibt Schneider:
Pavel Chekov wurde in der deutschen Fassung ohne greifbaren Grund zu „Pane“, was wohl nicht einmal ein russischer Name ist. Spocks Mutter Amanda wurde in TOS: „Die Reise nach Babel“ zu „Emily“ abgeändert. […] Ein Sinn dieser Umbenennungen ist bis heute nicht ersichtlich. Genauso verhält es sich mit Gary Seven, der in TOS: „Ein Planet, genannt Erde“ zu „Felix Sevenrock“ mutierte.
Deutsche Fassung von Bavaria Film Synchron und Arena Synchron
Trotz dieser Pannen gelten die Star-Trek-Serien und -Filme als gut übersetzt. Verantwortlich für die Synchronisierung waren Bavaria Film Synchron in München und Arena Synchron in Berlin.
Zensurmaßnahmen des ZDF zur kindgerechten Aufbereitung
Ziemlich verkrampft wirken rückblickend die Zensurmaßnahmen des ZDF zur kindgerechten Aufbereitung der Serie. So wurden in der Folge „Weltraumfieber“ reichlich vorhandene und für die Handlung wichtige erotische und sexuelle Anspielungen bis hin zur völligen Sinnverdrehung getilgt. Die Geschichte handelt davon, dass der gefühlskalte, von Logik und Vernunft beherrschte Spock durch eine Krankheit in das genaue Gegenteil umschlägt: Er mutiert zu einer von Sehnsüchten, Trieben und Gelüsten beherrschten Person.
Genau 40 der insgesamt 79 Einzelfolgen der drei produzierten Staffeln von Star Trek wollte das ZDF dem deutschen Publikum in den 1970er Jahren nicht zumuten („zu geschmacklos und gewalttätig“). Sie wurden nicht synchronisiert und nie ausgestrahlt.
Erst 1985 vervollständigte ein anderer Sender, Sat.1, die Synchronisation der Serie – bis auf eine einzige Folge, die abermals der Selbstzensur zum Opfer fiel.
Die Nazi-Folge „Patterns of Force“: 40 Jahre lang im Giftschrank des ZDF
In „Patterns of force“ („Schablonen der Gewalt“) laufen Kirk und Spock in SS-Uniformen herum, um einen Planeten zu retten, auf dem ein Historiker die Gesellschaft nach dem Vorbild des „Dritten Reichs“ organisiert hat.
Bei Hakenkreuzen und SS-Runen in einer Unterhaltungssendung schrillen bei allen im Staatsfernsehen Beschäftigten verständlicherweise die Alarmsirenen. Deshalb wurde die Folge damals aussortiert, nicht synchronisiert und der deutschsprachigen Fangemeinde gut 40 Jahre vorenthalten.
Inhaltlich ist „Patterns of Force“ aber weder besonders schlecht noch besonders gut, sondern ebenso sehenswert wie die übrigen Episoden von Raumschiff Enterprise. Es handelt sich jedenfalls nicht um Nazi-Kitsch aus Hollywood. Eine Verharmlosung des Totalitarismus stellt die Folge nicht dar.
Erst 1996 wurde „Schablonen der Gewalt“ im Rahmen des Themenabends „kunst-stücke“ im österreichischen Fernsehen ORF im englischsprachigen Original ausgestrahlt. 2004 lief auf dem Bezahlsender Premiere erstmals eine deutsch synchronisierte Fassung.
„Nicht für Zuschauer unter 16 Jahren geeignet“: Betreutes Fernsehen auf zdf_neo
Es dauerte noch sechs weitere Jahre, bis die Folge erstmals auf einem frei empfangbaren Kanal zu sehen war. Am 04.11.2011 zeigte der Spartenkanal zdf_neo (Marktanteil: 0,3 Prozent) eine deutsch synchronisierte Fassung.
Dabei durfte der Hinweis „nicht für Zuschauer unter 16 Jahren geeignet“ jedoch nicht fehlen. Außerdem wurde der Sendetermin für diese Einzelfolge auf einen Zeitpunkt nach 22:00 Uhr verlegt, „sodass die Komplexität der Episode von den Zuschauern reflektiert und hinterfragt werden kann“, so zdf_neo-Redaktionsleiterin Dr. Simone Emmelius damals.
Richard Schneider