Viele Übersetzer und Dolmetscher haben in den letzten Wochen über die Mail-Funktion von Übersetzerverzeichnissen wie translationzone.com eine E-Mail von der Firma „Diesel Model Management“ erhalten. Darin wird in gebrochenem Englisch für eintägige Fotoaufnahmen nach einem Sprachmittler gesucht, der zwischen den Models und dem Veranstalter dolmetschen soll:
Von: martin_stuart06@yahoo.co.uk
Datum: 14.04.10 14:00:24Hello,
Best of the day to you. How are you and every members of your family? In good health I guess. My Names are Martin Stuart and I work as an Agent for Diesel Model Management in the UK. While I was searching for a professional Translators and Interpreters, I came across your profile on the internet which signifies that you are a Certified Translator/Interpreter. We have a photo shoot for Grattan Fashion Catalog, UK which sells apparels and some German Models to pose for the Photo Shoot and they speak German. So we would want you to join our Team as our Translator/Interpreter. The Photo Shoot will be in Zurich, Switzerland and it will last only for one day. So I want to know if you will be Interested in this Project. If yes, you can reply me so that i can give you more information about this job offer.
Anticipating your positive response. Do have a great week ahead and my humble regards to you and your loved ones.
Best Regards,
Agent Martin Stuartmartin_stuart06@yahoo.co.uk
+447766278009
Empfänger der Schreiben, die erwägen, sich um den angebotenen Dolmetscheinsatz zu bewerben, sollten zuvor eine Internet-Recherche starten. Es liegen bereits zahlreiche Erfahrungsberichte und Hinweise von Betroffenen, Verbraucherschutzorganisationen und Pressestellen der Polizei zu diesem und ähnlich gelagerten Fällen vor. Diese lassen den Schluss zu, dass hier ein groß angelegter Betrug mit gefälschten Reiseschecks versucht wird.
Bei der angegebenen Telefonnummer handelt es sich um ein in Großbritannien angemeldetes Handy, bei dem dauerhaft eine anonyme Mailbox eingeschaltet ist. Neben dem Ansprechpartner „Martin Stuart“ werden eine Vielzahl weiterer, ständig wechselnder und vermutlich frei erfundener oder gestohlener Identitäten (Nicolas Mickelson, Fredrick Pawlak, Oliver McGrady) sowie weitere Handy-Nummern verwendet.
Überzahlung mit ausländischen Reiseschecks
Die Täter gehen wie folgt vor: Den stets im Ausland sitzenden Opfern werden von Großbritannien aus Schecks zugeschickt, deren Betrag deutlich über dem vereinbarten Honorar liegt. Sie werden dann gebeten, den aus Versehen oder aus vorgeschobenen Gründen zu viel gezahlten Betrag an einen Dritten zu überweisen, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt sei und noch ein Honorar zu erhalten habe.
Die Überweisung soll typischerweise als Bargeldüberweisung per Western Union durchgeführt werden. Bei diesem Service brauchen weder der Sender noch der Empfänger ein Bankkonto zu besitzen. Der Empfänger holt das Geld in bar unter Vorlage eines gefälschten oder gestohlenen Ausweises ab und ist dann nicht mehr zu ermitteln.
Die Sachbearbeiter der Banken stufen die Schecks meist zunächst als echt ein und schreiben den Betrag in voller Höhe dem Konto des Opfers gut. Dies geschieht jedoch, wie bei allen Scheckeinlösungen, nur unter Vorbehalt. Denn die inländische Bank muss erst mit der ausländischen Bank, die den Scheck ausgegeben hat, in Verbindung treten. Dies kann mehrere Wochen dauern.
Hat die Bank schließlich ermittelt, dass der Scheck nicht gedeckt oder gestohlen oder gefälscht ist, wird die Gutschrift widerrufen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben viele Scheckempfänger aber bereits den vermeintlich zu viel gezahlten Betrag an jemand anders überwiesen. Dieses Geld ist dann verloren und kann auch nicht zurückgerufen werden.
Diese Masche mit der so genannten „Überzahlung“ durch ungedeckte, gestohlene oder gefälschte Auslandsschecks ist der Polizei seit Jahren bekannt. Sie wird im Englischen als „Check Overpayment Scam“ bezeichnet.
Was tun?
- Gesundes Misstrauen an den Tag legen. Schon die übertrieben freundliche Sprache und das schlechte Englisch sollten in diesem Fall zur Vorsicht mahnen. Prüfen Sie die Identität von Absender und Firma durch Internet-Recherchen.
- Schecks auf Echtheit prüfen. Der „Verband der Auslandsbanken in Deutschland e. V.“ empfiehlt vier einfache Prüfungen, anhand derer Sie die Echtheit von American Express Travelers Cheques prüfen können (siehe PDF-Datei)
- Anzeige erstatten. Eine Anzeige bei der Polizei wegen versuchten oder vollendeten Scheckbetrugs ist sinnvoll, weil sie den Behörden das Ausmaß dieser Machenschaften verdeutlicht. Sie führt aber nicht zu einer Ermittlung der Täter oder deren Verurteilung. Auch das verlorene Geld lässt sich durch eine Anzeige nicht wiederbeschaffen. Selbst ein gewonnenes Gerichtsverfahren würde in dieser Hinsicht nichts nützen.
- Informieren und aufklären. Am wirkungsvollsten ist und bleibt die vorbeugende Information und Aufklärung von Kollegen durch in den Suchmaschinen gut platzierte Seiten wie diese. Betroffene sind so in der Lage, schnell und unkompliziert an Hintergrundinformationen zu gelangen.
Dolmetscher und Übersetzer als neue Zielgruppe
Im Jahr 2009 hat Diesel Model Management massenhaft Fotografen angeschrieben. 2010 scheinen die Betreiber Dolmetscher und Übersetzer als neue Zielgruppe entdeckt zu haben.
In einer deutschsprachigen Mailingliste berichteten zwei Übersetzer im April 2010, dass sie, nachdem sie ihr grundsätzliches Interesse an dem angebotenen Auftrag bekundet hatten, von Diesel Model Management jeweils Reiseschecks im Gesamtwert von 3.500 Euro erhalten haben (sieben American Express Travelers Cheques à 500 Euro). Von einer Einlösung haben beide jedoch abgesehen.
Nach Auskunft des Übersetzers, der den oben abgebildeten und sechs weitere Schecks erhalten hat, handelt es sich bei den ihm zugegangenen Schecks eindeutig um Fälschungen, wenn man die in der PDF-Datei des Bankenverbands genannten Kriterien zu Grunde legt.
Ein spanischer Übersetzerkollege berichtet, ebenfalls im April 2010 eine Dolmetschanfrage für die Betreuung von Fotomodellen bei Aufnahmen in Barcelona erhalten zu haben. Der Text der E-Mail ist fast wortgleich, die Telefonnummer identisch. Der Ansprechpartner nennt sich Solomon Petrov und gibt vor, für die Firma Quest Model Management in Singapur zu handeln.
[Text: Richard Schneider.]