Technische Redakteure und Übersetzer arbeiten an denselben Dokumenten. Was ein Redakteur schreibt, übersetzen bis zu 30 Übersetzer gleichzeitig. Jede Optimierung der Ausgangstexte wirkt sich daher unmittelbar auf die Qualität und die Kosten der Übersetzungen aus.
Die meisten Redakteure arbeiten unter hohem Zeitdruck und haben meistens wenig Gelegenheit, sich Gedanken über die Wirkung und Auswirkung ihres Textes in anderen Sprachen zu machen. Jede Sprache hat eigene Mechanismen und Konzepte, so dass der Übersetzer immer einen Spagat zwischen zwei Sprachwelten machen muss. Womit muss er täglich kämpfen?
Fangen wir bei der Syntax an. Die deutsche Sprache verwendet ganz spezielle Konstruktionen, die andere Sprachen nicht ohne weiteres übernehmen können. So können zwischen Subjekt und Verb oder Teilen vom Verb lange Inhalte stehen: „Die Produktion nahm im Jahr 2009 ( ) ab/zu“. Nicht selten fängt ein deutscher Satz mit einem Nebensatz an, was in anderen Sprachen viel seltener der Fall ist.
Die deutsche Sprache ist für ihre Wortbildungsmechanismen berühmt und berüchtigt. Sie erlaubt Kunstwerke wie „Spannungszwischen-kreis-Wechselstromumrichter“, was manchen Übersetzer zum Verzweifeln bringt. Auch sehr beliebt in der technischen Dokumentation und für Übersetzer besonders herausfordernd sind diese knappen und praktischen Adjektive wie „werkseitig“, „softwaremäßig“ oder „endschalterüberwacht“. An manchen deutschen Wortformen kann der Übersetzer (und der Leser) nicht immer klar erkennen, ob er es mit einem Wort im Singular oder im Plural zu tun hat (Beispiel „Fehler“).
Für Übersetzer stellen neben Syntax und Wortbildung semantische Aspekte (also bzgl. der Wortbedeutung) eine besondere Herausforderung dar. Die Verbreitung von Anglizismen wie „Webinar“ in der deutschen Sprache ist ein guter Beweis dafür, dass zwischen Sprachen nicht alle Konzepte übereinstimmen. Das gilt insbesondere für Neologismen oder für Begriffe, deren Bedeutung Gesetze, Bildungsinstitutionen oder Kultur beeinflussen. Hier muss der Übersetzer mit Hilfe weiterer sprachlicher Mittel den Bedeutungsunterschied präzisieren.
Übersetzungsprogramme oder Layoutprogramme bearbeiten Ausgangstext und Übersetzung in gleicher Weise. Aufgrund der Sprachunterschiede bringt dies Probleme mit sich. Im Wesentlichen geht es bei Übersetzungsprogrammen um die Segmentierung der Texte in Übersetzungseinheiten. Wenn aufgrund des unterschiedlichen Satzbaus Teilsätze in beiden Sprachen nicht mehr übereinstimmen, kann es gefährlich werden. Manch einer würde bei einem Einblick in Translation Memories staunen, wie viele solcher unpassenden Segmentfragmente es gibt.
Problematisch wird es ebenfalls, wenn bei Fürwörtern der Zusammenhang fehlt. Worauf bezieht sich „es“ in „Entsorgen Sie es nach dem Gebrauch“? Die wiederverwendete Übersetzung passt im neuen Satz eventuell nicht und führt zu Fehlern.
Auch beim Layout führt die unterschiedliche Länge der Sprachen zu Mehrarbeit: Layouter müssen Tabellen anpassen oder Seitenumbrüche neu festlegen, usw.
Was können also Redakteure tun, um die Arbeit der Übersetzer zu erleichtern und die Gefahr unbemerkter Übersetzungsfehler zu reduzieren? Folgende Grundregeln aus der Praxis haben sich bewährt:
- Relativ kurze Sätze (12-15 Wörter) mit maximal einem Nebensatz bilden.
- Möglichst zuerst Hauptsatz und dann Nebensatz.
- Möglichst einheitlicher Satzbau: Subjekt – Verb – Objekt.
- Anweisungen einheitlich formulieren. Entweder immer Infinitiv „Hauptschalter auf ‚I‘ stellen.“ oder Imperativ „Stellen Sie den Hauptschalter auf ‚I'“.
- Passiv vermeiden. Nicht „Meldung wird ausgelöst“ sondern „Fehler löst Meldung aus“.
- Auf Füllwörter wie nun, doch, bitte, … verzichten.
- Synonyme vermeiden. Am besten eine mehrsprachige Terminologie pflegen und dem Übersetzer zugänglich machen.
- Komposita immer komplett ausschreiben (immer „Messgerät“ und nicht nur „Gerät“ allein).
- Fürwörter vermeiden („dieses“, „ihn“), wenn das Hauptwort nicht im Satz steht.
- Sätze nie durch Absatzmarken oder Aufzählungspunkte unterbrechen (Segmentierungsproblematik in Übersetzungssystemen).
- Platzreserve im Layout für längere Sprachen einplanen.
- Keine festen Worttrennungen mit Bindestrichen und keine festen Satzumbrüche mit Absatzmarken im Layout.
- Keine festen Zeilenhöhen in Tabellen, da längere Sätze in der Übersetzung teilweise verschwinden.
- Inhalte erstellen, die international einsetzbar sind. Maße, Beispiele, Referenzen, Symbole vermeiden, die nur in Deutschland verständlich sind. Alternativ: Wenn es nicht anders geht, lokalisierte Formulierungen mit eigener Niederlassung abstimmen (Normbezug, Prozedur bei Serviceanfragen usw.).
Dies sind nur einige der häufigsten Regeln. Es empfiehlt sich, einen kleinen Leitfaden für Redakteure zu erstellen, in dem diese Regeln definiert und mit konkreten Beispielen erläutert werden. Besonders für Firmen, die regelmäßig in mehreren Sprachen arbeiten, ist der Nutzen groß.
[Text: D.O.G. Dokumentation ohne Grenzen GmbH. Quelle: D.O.G. news 2/2010. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion.]