Es ist wie bei den Autos, die alle Mobilität garantieren. Heute verfügen nahezu alle interaktiven Übersetzungsprogramme über ein breites Spektrum an Funktionen, die für die tägliche Praxis eines Fachübersetzers völlig ausreichen. Man kann damit die übersetzten Sätze in Translation Memories speichern, Terminologie nachschlagen, neue Dokumente analysieren oder Altübersetzungen durch Alignment in ein Memory übernehmen. Unterschiede zwischen den Übersetzungssystemen gibt es bei Spezialfunktionen wie die Wiederverwendung von Wortgruppen oder bei der Integration in andere Applikationen. Diese Unterschiede machen preislich viel aus. Aber muss es immer Kaviar sein?
Das Programm Wordfast gehört zu den Klassikern der Übersetzungsbranche und zählt seit dem Jahr 1999 eine treue Gefolgschaft von ca. 13.000 Übersetzern. Dem Erfinder von Wordfast, Herrn Yves Champollion, und seinem Team ist vor einigen Monaten ein genialer Schachzug gelungen, der die Karten in der Toollandschaft für Übersetzer neu mischt. Das altvertraute Wordfast ist nun als kostenlose webbasierte Version erhältlich. Es verfügt über einen vollen Funktionsumfang (und sogar mehr), kann von jedem beliebigen Rechner über das Internet erreicht werden und bietet private wie auch öffentliche Translation Memories. Damit kann jeder, der professionell übersetzen möchte, vom Urlaubsort, von zu Hause oder in einem Internet-Cafe an seinem Projekt arbeiten. Alles, was er für seine Arbeit benötigt, ist online verfügbar. Die zu übersetzenden Dokumente sind in einem passwortgeschützten Privatbereich eines Webservers gespeichert.
Dies entspricht voll dem Trend, Programme und Daten ins Internet zu verlagern und webbasierte Netzwerke oder Plattformen aufzubauen. Dieser Trend verbirgt sich hinter Stichwörtern wie Web 2.0-Technologien oder Cloud Computing. Sicherheit vorausgesetzt bringt dieser Ansatz natürlich viele Vorteile: Die Software ist immer auf dem neuesten Stand und verfügbar. Man kann von vielen Standorten arbeiten und virtuelle Arbeitsgemeinschaften sind leichter zu organisieren.
Was leistet Wordfast Anywhere eigentlich? Das Programm erreicht man über den Link: www.wordfast.net. Wordfast Anywhere unterstützt verschiedene Formate: Textdateien, xml-basierte zweisprachige Dateien (TMXL), Word-, Excel- und PowerPoint-Dateien, Frame-Maker- (MIF), InDesign- (INX) und PDF-Dateien. Texte kann man laden oder über die Zwischenablage einfügen. Einmal geladen, lassen sich diese Dateien zuerst analysieren. Die Statistik entspricht dem von allen gängigen Übersetzungsprogrammen gelieferten Format, mit Wiederholungen, Fuzzy-Matches und neuen Texten. Damit lassen sich sowohl Arbeitsaufwand als auch Übersetzungskosten ermitteln.
Das Translation Memory kann man entweder privat („confidential“) oder öffentlich („public“) nutzen. Aus Datenschutzgründen empfiehlt es sich natürlich, für kommerzielle Aufträge ein privates Translation Memory anzulegen. Ein solches Memory kann man allerdings mit namentlich bekannten Teilnehmern teilen, was für die Arbeit an Projekten sehr nützlich sein kann. Ähnliches gilt auch für Wörterbücher. Aus dem öffentlichen Translation Memory können Übersetzungsvorschläge kommen. Diese kann man mit einem Punktabzug versehen, damit der Übersetzer sie als Fuzzy-Match vor der Übernahme in den Text genauer prüft. Das öffentliche Memory ist auch als Nachschlagewerk über eine Konkordanzfunktion jederzeit abfragbar. Auch Wörterbücher kann man öffentlich oder privat nutzen. Sie sind benennungsorientiert und haben ein einfaches Format: Ausgangswort und Übersetzung. Für den aktiv zu übersetzenden Satz erscheinen die Vorschläge aus dem Wörterbuch im rechten oberen Teil des Übersetzungsfensters.
Das Übersetzungsfenster wird den meisten Wordfast- oder Trados-Übersetzern aus den ersten Stunden vertraut vorkommen. Nach Öffnung des Segments schreibt der Übersetzer seine Übersetzung in ein Feld unterhalb des Ausgangssatzes.
Und wenn Translation Memories keinen Vorschlag für den zu übersetzenden Satz haben? Dann kommt bei entsprechender Aktivierung ein Vorschlag des maschinellen Übersetzungsprogramms Google translate.
Nach Abschluss der Arbeit kann man den übersetzten Text exportieren. Alternativ lässt sich auch der Inhalt des Übersetzungsfensters in die Zwischenablage kopieren und als ungecleante Datei in ein Word-Dokument einfügen. Das Translation Memory ist in ein bilinguales Format TXML exportierbar. Mit wenigen Änderungsschritten kann man dieses Memory in den meisten anderen Übersetzungsprogrammen übernehmen.
Somit bietet Wordfast Anywhere zum Nulltarif ein Rundum-Paket, mit dem nicht nur gelegentliche, sondern auch berufstätige Übersetzer arbeiten können. Das Programm ist bereits sehr stabil und wird weiterentwickelt. Es ist eine ernst zu nehmende kostenlose Alternative zu den bekannten kommerziellen Programmen.
[Text: D.O.G. GmbH. Quelle: D.O.G. news 3/2010, mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion.]