Lokalisierung in der Literaturübersetzung: Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte

Nur keine SentimentalitätenDie 2005 verstorbene Dr. Erika Fuchs hat über Jahrzehnte die Disney-Comics auf recht eigenwillige Art ins Deutsche übertragen. Mit ihrer Übersetzungs- und Lokalisierungsarbeit beschäftigt sich ein soeben erschienenes Buch. Im Klappentext heißt es:

Die höhere Tochter und Kunsthistorikerin war nach heutigen Einstellungskriterien als Chefredakteurin von Micky-Maus-Heftchen überqualifiziert, aber Frau Fuchs war der festen Überzeugung, dass man für die Übersetzung von Comics nicht gebildet genug sein konnte. So brachte sie nicht nur Farbe und Witz in die tristen Nachkriegskinderzimmer, sondern bewirkte wahrscheinlich mehr für die deutsche Sprachkultur als viele hochdekorierte PEN-Mitglieder. Ihr Einfluss im alltäglichen Sprachgebrauch und in der Popkultur ist bis heute enorm: egal ob dem »Ingeniör nichts zu schwör« ist, wir über den »großen Lauschangriff« diskutieren oder Jugendliche elterliche Vorgaben mit »würg, röchel« kommentieren.

Humorvoll und reich bebildert beweist dieses Buch Kapitel für Kapitel, wie viel Entenhausen in Deutschland steckt – und umgekehrt: Von der Küche über die Literatur und den Schlager bis hin zu unserem Verhältnis zu fremden Kulturen ist Erika Fuchs‘ Werk ein Spiegel deutscher Befindlichkeit. Nur keine Sentimentalitäten! ist somit die fröhlichste kleine Kulturgeschichte, die man sich denken kann.

Der ORF schreibt in einer Rezension:

Sie hat aus dem relativ normalen Umgangston des Originals eine komplexe, teils überdrehte, teils bildungsbürgerliche, manchmal freche, manchmal altvaterische Sprachwelt geschaffen – Linguisten würden sagen: einen elaborierten Code, jedenfalls Dialoge in den Comics, die Kinder nur zum Teil verstanden haben – gemocht haben sie sie offenbar trotzdem. […]

[Der Autor] Ernst Horst beschränkt sich nicht darauf, diese Namen aus Tausenden Seiten Comics zusammenzutragen und mit dem amerikanischen Original zu vergleichen, er weist auch nach oder spekuliert darüber, wo Frau Fuchs sie hergehabt hat oder haben könnte. Und das nicht nur mit Eigennamen, sondern eben mit dem ganzen Sprachuniversum aus ihrer Feder. […]

Ernst Horst findet unglaublich viele Querbezüge, Anspielungen und Neuschöpfungen in den Übersetzungen der Erika Fuchs, manchmal auch Fehler, Missverständnisse, inkonsequente Eindeutschungen. Das Buch ist eine Fundgrube, allerdings auch etwas ermüdend. Das hat damit zu tun, dass Ernst Horst Detail an Detail reiht und die Details dann im Zickzack verbindet […].

Über den Autor

Ernst Horst, geb. 1951 im finstersten Oberhessen, verschwägert mit Johann Wolfgang von Goethe, Studium der Mathematik, diverse Veröffentlichungen aus dem Bereich der Stellardynamik, geprüfter Sachkundiger für Getränkeschankanlagen, seit 1993 freier Mitarbeiter beim Feuilleton der FAZ, Gründungsmitglied und Ehrenpräsiderpel der Deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus. Ernst Horst lebt in München.

Bibliografische Angaben

Ernst Horst (2010): Nur keine Sentimentalitäten!: Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte. Blessing Verlag. 384 Seiten, 22,95 Euro.

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[Textzusammenstellung: Richard Schneider. Quelle: Blessing Verlag, ORF. Bild: Blessing Verlag.]

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