„Alternativlos“ ist Unwort des Jahres 2010

Nachdem „Wutbürger“ zum Wort des Jahres 2010 ernannt wurde, fanden nun die Wahlen zum Unwort des Jahres 2010 statt. Das „Sparpaket“ der Bundesregierung, die „Brückentechnologie“ für die Atomkraft oder der „Steuersünder“ bzw. „Schwarzsparer“, Begriffe für Bürger, die ihre Konten im Ausland vor dem Staat verstecken, waren in der engeren Auswahl der Jury von Sprachkritikern. Letztendlich gab es jedoch keine Alternative: „Alternativlos“ wurde zum Unwort des Jahres 2010 gekürt. Zur Begründung sagte der Sprecher der Jury, Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Bild), aus Frankfurt a. M.: „Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.“ Kanzlerin Merkel verwendete den Begriff im März 2010. Sie bezeichnete die finanzielle Hilfe für Griechenland und somit für die Rettung des Euros als „alternativlos“. Bereits zum 20. Mal erfolgte die Wahl des Unworts des Jahres. Diesmal beteiligten sich 1 123 Einsender aus dem In- und Ausland mit 624 verschiedenen Vorschlägen. In den vergangenen Jahren lag die Anzahl der Einsendungen im Durchschnitt bei 1 700.

Außerdem kritisiert die Jury die Formulierung „Integrationsverweigerer“: „Das von Bundesinnenminister de Maizière in Umlauf gebrachte Wort verbreitet die Unterstellung, dass Migranten in größerem Umfang selbst ihre Integration verweigerten. Dass für eine solche Behauptung noch immer eine sichere Datenbasis fehlt und dass der Staat seinerseits für die Integration noch zu wenig tut, wird in den entsprechenden Debatten meist ausgeblendet.“
Des Weiteren war das „Geschwätz des Augenblicks“ in der engeren Auswahl, da der Dekan des Kardinalskollegiums Angelo Sodano in der Ostermesse des Papstes 2010 mit dieser Formulierung versucht habe, die massiven Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche beiseite zu schieben.

Die Jury für das Unwort des Jahres 2010 setzte sich aus den vier ständigen Mitgliedern Prof. Dr. Margot Heinemann (Leipzig), Prof. Dr. Nina Janich (Darmstadt), dem Sprecher der Jury Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Frank­furt a.M.) und Prof. Dr. Martin Wengeler (Trier) zusammen. Vertreter der Sprachpraxis waren in diesem Jahr Dr. Ruth Fühner, Journalistin hr 2 (Frankfurt a.M.), und Prof. Dr. Hellmuth Karasek, Autor und Literaturkritiker (Hamburg).

Mit der Auswahl des 20. Unworts scheiden die Jurorin Prof. Dr. Margot Heinemann (Leipzig), ständiges Mitglied seit 1994, sowie der Initiator und bisherige Sprecher Prof. Schlosser aus der Jury aus. Abgelöst werden sie durch die Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Schiewe, (Universität Greifswald; Autor des Buches Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart) und Dr. Kersten Sven Roth (Universität Zürich; u.a. Autor des Buches Wahl der Wörter – Wahl der Waffen?). Neue Sprecherin der Jury wird Frau Prof. Dr. Nina Janich.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: uni-frankfurt.de; spiegel.de; stern.de, 18.01.2011. Bild: uni-frankfurt.de.]